Zukunftsmusik?

Zukunftsmusik?

Zu den Hauptaufgaben von Archiven gehört es, Dinge, die es wert sind, aufgehoben zu werden (Archivalien), langfristig sicher aufzubewahren, zu erhalten und der Öffentlichkeit auf geeignete Weise zugänglich zu machen. Je nach aufbewahrtem Archivgut und Zuständigkeitsbereich unterscheidet man verschiedene Arten von Archiven, beispielsweise Kommunalarchive, Kirchenarchive, Staatsarchive, Rundfunkarchive, Filmarchive oder auch Musikarchive und Volksliedarchive.

Archive müssen die langfristige Lesbarkeit ihrer Archivalien gewährleisten. Bei Schriftstücken und Bildern ist dies in der Regel kein Problem, weil die enthaltenen Informationen dem Nutzer direkt "ins Auge fallen". Anders sieht es jedoch bei Schallaufnahmen aus: Diese liegen auf entsprechenden Datenträgern vor - von unterschiedlichsten Walzen, Scheiben und Lochkarten über Schellackplatten, Vinylplatten, Magnetbänder unterschiedlichster Zusammensetzung und Größe bis hin zu den neueren digitalen Speichermedien wie CD, DVD, BD (Blu-ray Disc), Flashspeicher und Festplatte. Insbesondere die neueren und mehr Speicherplatz bietenden Tonträger sind wegen ihrer chemischen Zusammensetzung und/oder ihres physischen Aufbaus weitaus weniger langlebig als die meisten Schriftstücke, Zeichnungen oder Fotos. Um den "eingefrorenen" Schall hörbar und damit nutzbar zu machen, ist zudem immer auch ein Gerät erforderlich, das die gespeicherten Informationen in Töne umsetzen kann.

Daraus ergeben sich drei Hauptprobleme für Archive, die Schallaufnahmen aufbewahren. Da wäre zum einen der mehr oder weniger schnelle Zerfall der (meisten) Tonträger. Wer beispielsweise noch CDs aus den 1980er Jahren besitzt, sollte mal überprüfen, ob er sie noch fehlerfrei abspielen kann. Die Verfügbarkeit von Abspielgeräten für obsolete, d.h. allgemein nicht mehr gebräuchliche Tonträgerformate ist ein weiteres Problem: Wer besitzt heute noch einen Kassettenrekorder oder gar einen Schallplattenspieler? Eine dritte Problematik, mit der sich Schallarchive und auch IT-Ingenieure auseinandersetzen müssen, ist die Suche nach einem geeigneten Speichermedium, das langfristig Datensicherheit gewährt.

Vor allem auch wegen dieser Problemstellungen fand nun vom 14. bis 16. September 2011 erstmals eine Tagung statt, die sich speziell dem Thema Audioarchive widmet. Unter der Leitung von Prof. Dr. Ruth-E. Mohrmann von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen (LWL) trafen sich WissenschaftlerInnen und Interessierte aller Couleur in Münster, um anhand von 14 sehr interessanten Vorträgen mit anschließenden lebhaften Diskussionen ihre Erfahrungen auszutauschen und die Probleme der langfristigen Bewahrung von Schallaufnahmen zu erörtern.

Das Themenangebot war breit gefächert. Kathrin Dreckmann M.A. vom Institut für Medien- und Kulturwissenschaft an der Universität Düsseldorf erörterte die Rolle der Schallarchivierung in Zusammenhang mit dem kollektiven Gedächtnis. Zahlreiche RednerInnen gaben tiefe Einblicke in ihre Projektarbeit, so zum Beispiel Jan-Philipp Holzapfel M.A. vom Skandinavischen Seminar an der Universität Freiburg, der über seine Arbeit zu Literatur auf frühen Tonträgern im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts "Literarische Praktiken in Skandinavien um 1900" referierte, für das er u.a. im ersten dänischen Audioarchiv recherchierte. Auch das Thema Datenbank kam nicht zu kurz. Prof. Dr. Louis Peter Grijp vom Meertens Instituut Amsterdam stellte die Dutch Song Database vor, die Daten zu über 140.000 Volksliedern enthält. Besonders hervorzuheben ist, dass man nach ähnlichen Liedanfängen suchen kann und dass man sich die Herkunft der Aufnahmen auf einer interaktiven Karte der Niederlande anzeigen lassen kann. Zum inoffiziellen Teil der Tagung gehörte u.a. eine Führung durch die Räumlichkeiten des Seminars für Volkskunde/Europäische Ethnologie an der Universität Münster, die interessante Einblicke in die dortigen Arbeitsvorgänge bot.

Die Tagung "Audioarchive: Bewahren - Erschließen - Erforschen - Nutzen" war organisatorisch und inhaltlich ein voller Erfolg. Der rege interdisziplinäre Gedankenaustausch dürfte nun auch auf anderen Wegen fortgeführt werden, zudem wird ein Tagungsband erscheinen. Unsere Mitarbeiter Dr. Armin Griebel und Christoph Meinel haben viele nützliche Informationen und Impulse erhalten, die mittelfristig auch der Forschungsstelle zugute kommen dürften.

Christoph Meinel

Links:
Tagungsprogramm
Universität Münster, Seminar für Volkskunde/Europäische Ethnologie
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)


Kommentare (0)


Kommentar schreiben:





Erlaubte Tags: <b><i><br>Kommentar hinzufügen: