Hackschottisch: Fund und Erfindung

Hackschottisch: Fund und Erfindung

Ein im letzten Jahr aufgefundenes Notenbuch aus Altfeld bei Marktheidenfeld, geschrieben für C-Klarinette, enthält eine Schottisch-Melodie, die Hans von der Au 1938 unter dem Namen „Hackschottisch“ veröffentlicht und in Volkstanzkreisen bekannt gemacht hat.

Stimmbuch Klarinette in C aus Altfeld

Stimmbuch für Klarinette in C aus Altfeld bei Marktheidenfeld.

Das Notat ist bis auf eine Punktierung im Trio identisch und steht auch in der gleichen Tonart. Von der Au verdankt seine Fassung „den Notenschätzen des Musikers Philipp Heim in Esselbach“. Er gibt an, sie sei seit 1820 zum Hackschottisch verwendet worden und unterlegt sie einer Tanzform, die er bei einem „Volkstanzabend mit Familie Büttner und ihren Freunden in Schweinheim“ bei Aschaffenburg (im dortigen Trachtenverein?) aufgezeichnet hatte. Dass Tanzform und Melodie der meisten Tänze im Bärenreiter-Heft „Volkstänze aus dem Spessart“ nicht aus einer Aufzeichnung stammen, sondern in dieser Form rekonstruiert sind, ist bei von der Au nicht ungewöhnlich. Ausgehend von der Prämisse, die gleiche Landschaft, der Spessart, bringe überall Gleichartiges hervor und in der Annahme langer Kontinuität, scheint es ihm legitim, bruchstückhafte Überlieferungen aus zeitlich und geographisch weit auseinanderliegenden Belegen zu einem zeitlos idealen Ganzen zu verbinden.

Hans von der Au: Volkstänze aus dem Spessart, Kassel 1938, S.8

Hans von der Au, Volkstänze aus dem Spessart, Kassel 1938, S. 8.

Zu den Noten aus Altfeld hat Hermann Wagner herausgefunden, dass sie einer 1916/17 gegründeten Kapelle gehörten, die bis zum Zweiten Weltkrieg bestand. Altfeld, das zur Grafschaft Wertheim gehörte, war evangelisch, das benachbarte Esselbach, wo Philipp Heim, der Gewährsmann von der Aus daheim war, katholisch.
Es wäre interessant zu wissen, ob in den 1930er Jahren zu dem angeblich schon über 100 Jahre alten Schottisch in Esselbach oder Altfeld tatsächlich noch „Hackschottisch“ (Hacke, Spitze, Wechselschritt) getanzt wurde oder ein „normaler“ Schottisch, oder vielleicht sogar eine modernere Tanzform. Denn in einigen Regionen Frankens war der Schottisch als Tanz in den 20er, 30er Jahren schon von Schieber und Foxtrot abgelöst worden, wobei die Kapellen gelegentlich ihre alten Schottisch-Melodien weiter nutzten. Dagegen hat sich in der Volkstanzpflege die Praxis verfestigt, dass bestimmte Tanzformen, wie in diesem Fall auch, nur zu einer einmal festgelegten Melodie getanzt werden.
In der Altfelder Kapelle spielte in den 1930 Jahren eine Frau mit, was in dieser Zeit und auf dem Land äußerst ungewöhnlich war. Wie es dazu kam, dass Maria Eyrich den Streichbass spielte, dazu demnächst an dieser Stelle mehr.

Armin Griebel


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