Kulturgut geht online

Kulturgut geht online

Ende September folgte ich einer Einladung der Universität Rostock zum dreitägigen internationalen Symposium "Corpora Ethnographica Online". Die zahlreichen Referenten berichteten über knapp 30 verschiedene Projekte, die sich alle mit Digitalisierung und Online-Präsentationen ethnographischer (also volkskundlich beschreibender) Sammlungen beschäftigen.

Inhaltlich sind die vorgestellten Sammlungen breit gefächert - von in Israel gesammelten Sprichwörtern über Dokumente aller Art von und über die Samen in Skandinavien, das kulturhistorisch bedeutsame Rostocker Liederbuch bis hin zu den vielfältigen Nachlässen renommierter Volkskundler wie Adolf Spamer und Richard Wossidlo.
Es kristallisierte sich die Erkenntnis heraus, dass Umfang und Art der Archivbestände in den einzelnen Institutionen zwar unterschiedlich sind, dass aber die Notwendigkeit der Digitalisierung und der Online-Stellung alle Einrichtungen vor ähnliche Herausforderungen stellt. So vielfältig die Projekte sind, die auf dem Symposium vorgestellt wurden, so unterschiedlich sind auch die Strategien, um die Ziele der Erschließung, Sicherung, Erweiterung und Internetpräsentation der Archivbestände zu verwirklichen.

Postkarte mit Josef Aschenbrenner in der Bilddatenbank der FFV

Auch die Forschungsstelle möchte natürlich ihre Datenbestände (Metadaten und, soweit rechtlich möglich, die Textdokumente, Noten, Bilder, Tonaufnahmen und Videos selbst) online verfügbar machen. Dies wird mittelfristig im Rahmen des Projekts tradmusik.net (Homepage geht demnächst online) geschehen. Was dafür getan werden muss und wie wir dabei vorgehen, das ist einen extra Blog wert.
Damit dieser Bericht nicht auf allgemeiner Ebene bleibt, möchte ich nun drei Referate, die auf dem Symposium gehalten wurden, etwas näher beleuchten.


Das Rostocker Liederbuch

Annika Bostelmann vom Institut für Germanistik an der Universität Rostock referierte über ein Projekt an der Uni Rostock, im Rahmen dessen das Rostocker Liederbuch, eine der bedeutendsten schriftlichen Quellen zur Gebrauchsmusik des 15. Jahrhunderts im niederdeutschen Raum, komplett digitalisiert und einer detaillierten Analyse unterzogen wurde.
Das Liederbuch enthält ca. 30 Melodien und 60 geistliche und weltliche Texte, vor allem Liebeslyrik. Bemerkenswert ist die übersichtliche und umfangreiche Präsentation sowohl der Handschrift selbst als auch der zahlreichen Zusatzinformationen und Forschungsergebnisse auf der Projekt-Homepage. Neben Basisinformationen zu Entstehung, Entdeckung und äußerem Erscheinungsbild gibt es Angaben zu Text- und Melodie-Notation, formaler Gliederung, zu den Texten und weiterführender Literatur über das Liederbuch. Es ist auch möglich, sich über die Diskographie einzelne Lied-Beispiele anzuhören, und natürlich kann man sich die einzelnen Seiten des Rostocker Liederbuchs als Bilder anzeigen lassen.
Andreas Finger, Mitglied der Datenbank-Forschungsgruppe der Uni Rostock, berichtete ergänzend ausführlich über die technische Seite der Vorgehensweise bei Digitalisierung, Datenerfassung und Präsentation des Rostocker Liederbuchs im Internet.
Rostocker Liederbuch: www.rostocker-liederbuch.de


In Search of Lost Latvia

Ginta Zalcmane von der Lettischen Nationalbibliothek betreut das Projekt "In Search of Lost Latvia" ("Auf der Suche nach dem verlorenen Lettland"). Es ist nicht befristet und hat zum Ziel, die Geschichte Lettlands anhand von Fotos wieder lebendig werden zu lassen. Das Gros der über 23.500 (September 2012) online verfügbaren Fotos stammt von Privatpersonen, die sich für diese Idee begeistern und ihre privaten Bildbestände auf der Projekt-Homepage hochladen. Neu hochgeladene Fotos werden natürlich nicht freigeschaltet, bevor die Rechtslage eingehend geprüft wurde. Durch die Bestände kann man thematisch navigieren (z.B. Parks) oder man filtert nach Ort. Es gibt außerdem eine auf Google Maps basierende Karte und natürlich eine Suchfunktion.
Die Seite erfreut sich regen Zuspruchs, und Besucher haben die Möglichkeit, die Fotos zu kommentieren, zu verorten (durch Hinzufügen geographischer Koordinaten) und (unsystematisch) Schlagwörter zu vergeben. Auf diese Weise werden auch immer wieder Bilder inhaltlich erschlossen, von denen die Mitarbeiter der Lettischen Nationalbibliothek nicht wissen, wann und wo sie aufgenommen wurden. Ob diese Vorgehensweise des "Crowdsourcings" auch für die Bestände der Forschungsstelle nützlich sein kann?
"In Search of Lost Latvia" (lettisch): www.zudusilatvija.lv


Digitales Kulturgut im Internet

Christina Wolf vom Landesarchiv Baden-Württemberg stellte dar, wie sich Präsentation und Vernetzung von digitalem Kulturgut im Internet entwickelt haben, wie die momentane Lage aussieht und welche Perspektiven es gibt. Kurz zusammengefasst: Die Tendenz im Internet - nicht nur im Bereich Kulturgut - geht ganz klar zur Vernetzung einzelner Einrichtungen bzw. Datensammlungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Die Datenbestände (Inhalte und Formate) sind so vielfältig wie die Institutionen, die diese pflegen, was deren Zusammenfassung in einem einzigen Portal schwierig macht. Es gibt aber umfangreiche Bemühungen, Barrieren aus dem Weg zu räumen und einheitliche Standards (z.B. für ein Datenaustauschformat) zu schaffen.
An dieser Stelle möchte ich zum Stöbern einladen - folgen Sie einfach den Links.
Deutsche Digitale Bibliothek (Objekte aller Art, Ebene Deutschland): www.deutsche-digitale-bibliothek.de
BAM (Portal zu Archiven, Bibliotheken und Museen, Ebene Deutschland): www.bam-portal.de
europeana (Objekte aller Art, Ebene Europa): www.europeana.eu

Christoph Meinel


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