Fränkische Musikhandschriften

Flauto [pri]mo in D für Joseph Neff in Eichstaett 1829
Flauto [pri]mo in D für Joseph Neff in Eichstaett 1829

Am 6. und 7. November 2015 tagt das Nationalkomitee der Bundesrepublik Deutschland im International Council for Traditional Music (ICTM) in Freiburg am Zentrum für Populäre Kultur und Musik (ehemals Deutsches Volksliedarchiv). Das Thema der Jahreskonferenz lautet: »Sammeln, Bewahren und Nutzen – Musiktraditionen und ihre inventiven Chancen «. Armin Griebel und Heidi Christ referieren gemeinsam mit Jürgen Schöpf (Wien) über »Fränkische Musikhandschriften: Dokumentation, Nutzung, Forschung«.

Die Forschungsstelle für fränkische Volksmusik in Uffenheim beherbergt zehntausende Notenbögen, Hefte und Stimmbücher mit Tanz-, Marsch- und Unterhaltungsmusik von circa 1790 bis heute. Eine Datenbank bietet Zugriff auf die umfangreichen Sammlungen der Einrichtung, die sukzessive digitalisiert werden. Mit den stetig wachsenden Beständen in den Bereichen Lied, Musik und Tanz ist die Einrichtung zum Informationszentrum für historische Gebrauchsmusik in Franken geworden. Aktuell wird die Datenbank für die Veröffentlichung relevanter Daten und ausgewählter Digitalisate im Internet vorbereitet.

Jürgen Schöpf hat das zweibändige „Notenbuch für Joseph Neff“ aus Eichstätt für die Forschung entdeckt und dieses im vergangenen Jahr digitalisiert. Die beiden Bändchen enthalten auf zusammen 88 Seiten Tanzmusik – augenscheinlich als Erinnerungshilfe für den Flötisten Joseph Neff – vorwiegend Ländler, Dreher, Walzer und Märsche. Jürgen Schöpf gibt einen Überblick über die Fundgeschichte, sowie die enthaltenen Stücke und stellt Überlegungen zu ihrer historischen Nutzung an. Die Handschrift wird auch heute noch lokal genutzt. Analytisch-vergleichende Forschungen mit ähnlichen Handschriften werden im Rahmen eines Drittmittelprojektes angestrebt. Bereits eine kurze Durchsicht zeigt die Problematik einer Kategorisierung in Volks- und Kunstmusik, eine Frage, die in der Diskussion vertieft werden kann. Anlässlich der Freiburger Tagung wird das Faksimile auf den Internet-Seiten der Forschungsstelle in Uffenheim freigeschaltet.

Forschungsergebnisse der Forschungsstelle werden seit Gründung 1981 für Wissenschaft und musikalische Praxis in einer eigenen Veröffentlichungsreihe, teilweise in Kooperation mit Volksmusikpflege-Einrichtungen und dem Bayerischen Rundfunk, Studio Franken publiziert. Schon 1981 erschien das „Notenbuch für Johann Georg Hannamann aus Bullenheim, 1821“ in Faksimile und Teiltranskription. Horst Steinmetz hat darin das musikalische Leben des unterfränkischen, später mittelfränkischen Dorfes Bullenheim bis an die 1980er Jahre dargestellt und mit historischen Fotografien angereichert. Ausgangspunkt waren die Hannamanns, die im 18. und 19. Jahrhundert mit Musik aufwarteten. Die Forschungsstelle verfolgt die Rezeption der Notenveröffentlichung, von der ausgehend einzelne Stücke ins Repertoire der Fränkischen Volksmusik eingegangen sind. Bezeichnend für die Vermittlungswege heutiger Volksmusikpflege ist ein Dreher, der vorübergehend in der alpenländischen Volksmusik Österreichs Furore machte. Vergleiche mit anderen fränkischen Musikhandschriften, die aus dieser Zeit erhalten sind, stehen noch aus und sind mit dem angestrebten Projekt beabsichtigt.

Heidi Christ

Titelseite Notenhandschrift Joseph Neff, Eichstätt 1829

 

Erste Seite aus dem Notenheft für Joseph Neff, Eichstätt 1829


Kommentare (1)

  1. Wolfgang Dreier-Andres:
    02 Dez 2015 um 09:12

    Gratulation zur Dokumentation

    Liebe Kollegen,
    eine wunderbare Sache! Gerade diese Einblicke, die hier per open access eröffnet werden, sind nicht zu unterschätzen, wollen wir uns historisch informiert mit aufführungspraktischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Ein Kernthema, das mir bei der Durchsicht der Flötenstimmen wieder einmal bewusst wird, ist darüber hinaus der Quellennachweis von Melodien, der, wäre eine umfassende Melodiensuche über all diese Gebrauchshandschriften möglich, viele Mythen und Irrungen rund um "alpenländische Melodik" aufklären helfen könnte und zeigen würde, wie weit gestreut über verschiedene soziale Schichten hinweg ein und dieselbe Melodie unter Umständen erklang (oder auch nicht). RISM und J. Chambers bieten dazu unterschiedliche Ansätze, tatsächlich befriedigend ist noch keiner, was nicht zuletzt auch mit der unterschiedlichen Aufstellung beteiligter Dateneinpfleger zusammenhängt. Würde die oben angesprochene, unter tradmusik.net im Preview ersichtliche Datenbank hierfür eine Lösung bereitstellen, wäre das eine tolle Sache!
    In gespannter Erwartung & mit herzlichen Grüßen aus Salzburg,

    W3erA


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