"Das staunende Volk, es kniet betend umher ..." - Recherchen zum "Großen Lourdes-Lied"

Opferkästchen in Rauenzell zur Erhaltung der Lourdes-Grotte
Opferkästchen in Rauenzell zur Erhaltung der Lourdes-Grotte

15. August, Mariä Himmelfahrt. Für viele katholische Mitmenschen ein hoher Festtag, in Bayern leider nur in Gemeinden mit überwiegend katholischer Bevölkerung ein Feiertag, dafür dann aber auch für die evangelischen Mitbürger. Wikipedia weiß über Bräuche zum Hochfest Assumptio Beatae Mariae Virginis, dass neben der Würzbüschelweihe "vor allem im süddeutschen Raum .. abends feierliche Pontifikalämter mit anschließenden Lichterprozessionen statt[finden]. Und weil mich gerade eine andere Lichterprozession beschäftigt, genauer das dabei gesungene  sogenannte "Große Lourdes-Lied", versuche ich, hier oder auf unserer Facebook-Seite eine Diskussion in Gang zu bringen.

In meiner Heimatpfarrei Rauenzell bei Herrieden gibt es seit 1891 eine Lourdesgrotte. Die sonntägiliche Feier des Patroziniums (Mariä Heimsuchung, 2. Juli) wird jeweils mit einer abendlichen Andacht und darauffolgender Lichterprozession durch den Ort abgeschlossen. Speziell wegen der Lichterprozession kommen etliche Gläubige aus den umliegenden Pfarreien nach Rauenzell, so dass sich ein langer Zug hinter den Geistlichen, den Ministranten und den Fahnen bildet. Alle tragen Kerzen in bunten Plastikleuchtern und haben sich in der Kirche mit Liedzetteln versorgt. A capella erklingt nun das "Große Lourdes-Lied" durch die geschmückten Straßen, die 60 Strophen werden nach jeder zehnten Strophe durch ein Gesätz des Rosenkranzes unterbrochen. Besonders der Refrain "Ave, Ave, Ave Maria" ist laut und deutlich vernehmbar, etliche Prozessionsteilnehmer heben dabei, wie es in Lourdes üblich geworden ist, die Kerzen in die Höhe. Die Prozession endet unterhalb der Kirche am Kriegerdenkmal mit dem Segen. Gleich anschließend werden die Liedzettel eingesammelt.

Das "Lourdes-Lied" erzählt in zweizeiligen Strophen die wunderbaren Ereignisse um das Hirtenkind Bernadette Soubirous und die Marienerscheinungen des Jahres 1858 im französischen Pyrenäenort Lourdes. Schon beim letzten Mal habe ich mich über die Texte gewundert, heuer blieb mir besonders eine Stelle im Sinn, die da lautet: "Das staunende Volk, es kniet betend umher ..." - Zeit, sich einmal näher mit diesem Lied zu befassen!

Meine dürftigen Erkenntnisse nach etlichen Stunden Recherche lassen sich so zusammenfassen: Prozessionen zur Höhle von Massabielle, wo sich die Marienerscheinungen ereignete, fanden schon in kurz nach den Erscheinungen statt. Aus Anlass der Aufstellung einer Marmorstatue in der Grotte am 4. April 1864 zog eine Prozession mit 20.000 Pilgern von der Pfarrkirche zur Grotte. Seit 1872 gibt es regelmäßige Lichterprozessionen, mittlerweile zwischen Ostern und Mitte Oktober allabendlich. Das "Ave Maria von Lourdes", dessen Refrain weltweit bekannt ist, ist fester Bestandteil des Rituals. Die Strophen des Liedes werden während der Prozession in den Sprachen aller vertretenen Nationen gesungen.

Über eine schweizer Internetseite fand ich den derzeit ältesten Beleg für den deutschsprachigen Text bei Arthur Schott: "Die Wunder von Lourdes", erschienen in Stuttgart 1886 (2. Auflage, identisch mit der ersten). Schon die 7. Auflage des Buches enthält eine leicht variierende Textfassung. Derer fand ich noch etliche in Pilgerbüchern, auf christlichen Internetseiten und in Blogs. Ich fand niederländische, englische und französische Texte, Videos und Soundfiles. Ich fand regionale Strophen und auf die Melodie neu gemachte Marienlieder. Aber keinen Hinweis auf eine "Ursprungsfassung". Außer den niederländischen Fassungen erzählt kein anderssprachiger Text die Geschichte des Gnadenortes.

Woher die Fassung stammt, die in Rauenzell verwendet wird, konnte mir bisher niemand sagen. Nur soviel konnte ich in Erfahrung bringen, dass es wohl schon seit dem Bau der Lourdes-Grotte 1891 Lichterprozessionen gegeben habe, die dann in den 1920er oder 1930er Jahren vom Pfarrer verboten wurden, weil junge Männer einmal statt "Ave, Ave, Ave Maria" "Kaffee, Kaffee, Kaffee Maria" gesungen hätten, um der Gastwirtin Maria zu bedeuten, dass man sich nach der Prozession bei ihr zum Kaffeetrinken einfände. Um 1950 sei die Tradition wieder aufgenommen worden, wozu in einer kleinen Druckerei im benachbarten Arberg die heute noch gebräuchlichen Liedzettel gedruckt worden seien. Seit einigen Jahren beschlössen ein paar Rauenzeller, die regelmäßig Fußwallfahrten nach Altötting unternehmen, die Lichterprozession quasi privat in der Grotte, wo sie noch das Lied von der "Schwarze Madonna" sängen.

Lourdes-Grotte Lourdes-Grotte

Die Textstelle mit dem staunenden Volk, das da "betend umherkniet", liest sich 1886 übrigens folgendermaßen: "Das Volk auf den Knieen sieht staunend allhier den göttlichen Schimmer sich spiegeln an ihr".

Ich würde mich sehr über konstruktive Diskussionsbeiträge, Erlebnisberichte und Liedzusendungen freuen! Insofern ist obiges Bild vom Opferkästchen zur Erhaltung der Lourdes-Grotte mit der Bitte "Beiträge Lourdes-Grotte" durchaus ernst gemeint.

Heidi Christ


Kommentare (6)

  1. Anonymous:
    12 Sep 2012 um 21:09

    Hallo,

    ich war vor 5 Wochen in Lourdes und habe auch im Pilgerchor gesungen.
    Der deutsche Text lautet seit 2-3 Jahren: Jungfrau unbefleckte, an sie glauben wir. Der Name der Dame verkündet von ihr; Ave, Ave, Ave Maria

  2. Heidi Christ:
    13 Sep 2012 um 08:09

    Danke für die Nachricht! Aber: Wie geht das mit der Melodie? Es ist ja so schon häufig eine "holprige Singerei" - hier krieg ich fast einen Knoten in die Zunge, wenn ich mir diese Strophe gesungen vorstelle.

  3. Mödl Werner:
    14 Jun 2014 um 17:06

    Lourdes Lied
    Liebe Heidi!
    Schau doch einmal bei Konrad Scheierling - Geistliche Lieder der Deutschen aus Südosteuropa nach: Die Nr 1244 (Band 4) ist da recht interessant.

    Freundliche Grüße

    Werner

  4. Gretl & Franz Metschl:
    16 Dez 2014 um 14:12

    Liebe Heide Christ, danke für den Beitrag über das
    Lourdes-Lied. Ich glaube, dass wir den richtigen Text auf CD aufgenommen haben. Auch haben wir in
    Lourd einige Gottesdienste, u.a. auch an der Er-
    scheinungs-Grotte gesungen. Oftmals werden solche
    Lieder auch ortsbedingt etwas geändert. Es ist halt mal so,leider!
    Herzlichen Dank für die nette Ansagen zum Lied: Bild dir nix ein. Wir wurden angerufen. Wir wün-
    schen Ihnen ein Fröhliches Weihnachtsfest, alles
    Gute und beste Gesundheit, Ihre Gretl & Franz.

  5. Heinz TOKITSU:
    08 Jan 2021 um 08:01

    Uebrigens: wer ist der Komponist der Lourdes-Melodie?
    Besten Dank im voraus,
    Heinz

  6. Siegfried Hoffmann:
    07 Feb 2023 um 14:02

    auf meiner Suche nach dem Komponisten der Melodie des Lourdesliedes stieß ich auf folgende Info: Laut Jan Janca soll dieser Melodie eine Volksweise aus dem Pyrenäen zugrunde liegen. Siehe bei Jan Janca DIE GLOCKEN VERKÜNDEN MIT FRÖHLICHEM LAUT Paraphrase für Orgel


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