Wenn's Johr amol a Kerwa is ...
Unter der Leitung von Dr. Rudolf Pietsch und Dr. Heidi Christ erlebten 18 Studentinnen und Studenten der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien fünf anstrengende Tage voll fränkischer Kirchweihmusik in Alfeld und Umgebung. Begonnen haben wir, wie sich's für eine Kirwa in der Hersbrucker Alb gehört, mit dem Besuch der "Vogelsuppe". Das traditionelle Eintopfgericht aus Rindfleisch und Innereien wird im Wirtshaus gegessen. In Alfeld umrahmten die Alfelder Musikanten im Gasthof "Berghof" und die Kirchenreinbacher Spitzboum im Gasthof "Zum scharfen Eck" den Kirchweihauftakt. Bürgermeister Niebler begrüßte uns auf's herzlichste und überreichte etliche Alfelder Liederbücher an die Gäste aus Wien. Georg und Christoph Maul sowie Günter Euskirchen knüpften erste Kontakte und erzählten aus ihren reichen Erfahrungsschätzen.
Bei größter Sommerhitze besuchten wir am Freitag die Forschungsstelle für fränkische Volksmusik in Uffenheim, wo es unter anderem Einblicke in das Notenarchiv und Hörbeispiele aus früheren Exkursionen und von Schellackplatten gab.
Zurück in der Hersbrucker Alb, trafen wir uns zu einem "Werkstattgespräch" mit den Jura Musikanten, die nicht nur launige Anekdoten aus einem langen Musikleben zum Besten gaben, sondern auch Fragen zu Spieltechnik und Repertoire beantworteten.
Am Samstag informierten wir uns im Jüdischen Museum in Schnaittach über das Landjudentum in Franken. Ein zweites "Werkstattgespräch" fand im Musikhaus Leipold statt. Neben den Erbsenboden-Musikanten um Peter Lindl spielten Sepp und Florian Gössl mit Karlheinz Leipold.
Georg Maul und Ludwig Pfann (ehemals Alfelder Musikanten) ergänzten als weitere kundige Gewährspersonen die Aussagen der aktiven Musikanten. Zum Schluss dieses Programmpunktes griffen einige der Wiener Studierenden sowie Rudi Pietsch und Carolin Pruy (Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V., Beratungsstelle für Volksmusik in Bayreuth) selbst zu Instrumenten um gemeinsam mit den fränkisch-oberpfälzischen Musikanten frei aufzuspielen.
Anschließend besuchten wir noch das Weinfest der Museumsfreunde in Rückersdorf, wo uns durch die musikalische Familie Dachs und den Bürgermeister ein fulminanter Empfang zuteil wurde. Da die Temperaturen inzwischen stark abgekühlt hatten, tat es richtig gut, sich ein bisschen zur Musik zu bewegen.
Die Nacht zum Sonntag war ziemlich kurz, denn bereits um 5 Uhr beginnen die Kirwaboum in Alfeld, das Seil mit dem "Buschen" aufzuziehen, das symbolisch die ehemals getrennten Dorfteile miteinander verbindet. Vom Schneiderberg, am Dorfplatz und vom Kegelberg aus beobachteten wir die anstrengende Arbeit und lauschten den Klängen des Posaunenchores, der in weit größerer Besetzung auch den feierlichen Kirchweihgottesdienst umrahmte und anschließend ein kleines Platzkonzert gab. Im Hirtenmuseum in Hersbruck gab es interessante Einblicke in das regionale Hirtenwesen.
Der Kirwamontag in Alfeld bildete den Abschluss der anstrengenden, ereignisreichen Exkursion. Zum Frühschoppen spielten im Gasthof "Berghof" wiederum die Alfelder Musikanten auf, auch diesmal zeitweilig unterstützt von Georg Mauls Enkel Maximilan an der Klarinette. Im "Scharfen Eck" spielten - nun schon alte Bekannte - die Jura Musikanten. Es gab für die Studierenden die Möglichkeit zu Nachfragen, zu weiteren Beobachtungen und zum Vergleich, sowie zu Befragungen in der Bevölkerung. Überall begegneten die Alfelder und ihre Kirwa-Gäste den österreichischen Forschern freundlich, offen und hilfsbereit. Sogar beim "Zurechtmachen" der "Roußerer" durften sie dabei sein. Nach dem Zug der Kirwagesellschaft vom "Berhof" ins Dorf begann eine lange Wartezeit, bis die Kirwapaare endlich zum "Austanzen" aufzogen. Nachdem der neue "Houterer" gefunden war, machten wir uns auf den Heimweg. In den kommenden Wochen werden die Fotos, Filme und Tonaufnahmen ausgewertet, mit den Protokollen abgeglichen und zu einer Abschlussarbeit vereinigt. Einige Bachelor-Arbeiten werden entstehen. Und dann gibt's vielleicht einen fränkischen Gegenbesuch in Wien.
Am gestrigen Kirchweihsonntag in Uffenheim gab es ein Novum: Der Arbeitskreis Innenstadt hatte fränkische Volksmusikgruppen eingeladen, die an verschiedenen Plätzen der Innenstadt musizierten und sangen. Ziel der Veranstaltung war, Kirchweihgäste vom Festgelände am Stadtrand in die Innenstadt zu locken, wo Gasthäuser und Geschäfte geöffnet hatten. Die Forschungsstelle für fränkische Volksmusik lud zum "Tag der offenen Tür" ein. Im Auftrag des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V. sang in unserem Aufenthaltsraum Eberhard Hofmann mehrere Stunden lang mit vielen Besuchern fränkische Lieder.
Zwischen 13.30 und 17.30 waren die Räume der Forschungsstelle voll wie selten zuvor. Da waren Uffenheimer, die das Haus einmal von innen sehen wollten, Volksmusikfans, die dringend nach bestimmten Liedern suchten, Gäste, die Material für das Archiv abgeben wollten und Interessierte, die einfach wissen wollten, was wir hier so arbeiten. Wir waren überwältigt von dem großen Zuspruch und danken herzlich für jeden Besuch!
Heidi Christ
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