Ende und Neubeginn

Ende und Neubeginn

1967 in der BR-Sendung „Über Tisch nei gsunge“ erzählt der um 1900 geborene Klarinettist Konrad Hauenstein, dass er schon seit 50 Jahren Volksmusik mache: „da ham mer immer entweder die klaana Hummelmusik g’macht oder die gröißere“. Anschließend hört man eine Quartettbesetzung, die der Moderator, BR-Volksmusikredakteur Josef Ulsamer, als „Die Klann Hummeln“ ankündigt. Mit diesem Vorwissen erklärt sich der Gruppenname aus der Besetzungsgröße und nicht aus der Körpergröße oder dem Alter der Musikanten. Konrad Hauenstein hatte in den 20er, 30er Jahren zusammen mit Karl Stiefler (erste Klarinette), bei der berühmten Kapelle Stiefler gespielt, die auch mit „moderner“ Tanzmusik aufwartete. Die Kapelle Stiefler war in der Gegend bekannt dafür, dass sie schneller als andere die aktuellen Schlager parat hatte. Die beiden Klarinettisten hatten ihre musikalische Ausbildung in Bayreuth genossen. Hauenstein war später Militärmusiker. Das tradierte Repertoire und seine Spielweise, die „Hummelischen“, kannten die Musikanten von Kirchweihen und Hochzeiten. Die „klaana Hummelmusik“ bestand oft nur aus einer C-Klarinette und zwei Begleitgeigen, wobei die Begleitung nicht von ausgebildeten Geigern, sondern von eigens für die Begleitung angelernten Kräften gemacht wurde. Sie spielten nicht nur auf die leichten Taktteile, sondern schlugen durch, z.B. beim Walzer auf jedes Viertel: erstes und zweites Viertel im Aufstrich, drittes im Abstrich, so Rüdiger Bauriedel in seinem Beitrag zum zwanzigjährigen Jubiläum der „Klann Hummeln“: „Der Hummelgau als Volksmusiklandschaft“ (Fränkischen Volksmusikblätter, Heft 48 (1989/I), S. 35-45). Nach anderer Gewähr wurde das erste und zweite Viertel im Abstrich, das dritte im Aufstrich genommen. In der Sendung erklärt Hauenstein diese Begleitmanier mit dem Fehlen des Bassinstruments. Offenbar ist „dieser alte Bauernstrich (Hauenstein)“, bei dem die Geiger ihre Instrumente senkrecht vor der Brust hielten (ähnlich wie die Bratschisten südosteuropäischer Roma-Kapellen), Rest einer stilistisch älteren Musizierpraxis, die sich im Hummelgau zusammen mit den „Hummelischen“ Melodien bis in die 1960er Jahre erhalten hat, während sie anderswo längst abgekommen war.

Mistelbacher Musikanten Anfang der 1950er Jahre. Begleitgeige: Eberhard Bär (Geigenhaltung!)
Mistelbacher Musikanten Anfang der 1950er Jahre.
Begleitgeige: Eberhard Bär (Geigenhaltung!)

Die in den späten 1960er Jahren einsetzende Volksmusikpflege hat diesen Begleitstil nicht aufgenommen. Die „Klann Hummeln“, die Rüdiger Bauriedel 1968 formell als Trachtenmusik im Hummelgauer Heimatbund gründete, spielten in der Besetzung Es- und B-Klarinette, Geige und Zupfbass. Anfangs war besagter Konrad Hauenstein, der zweite Klarinettist der alten Pittersdorfer, mit von der Partie. Er hatte zuletzt viele der „hummelischen“ Melodien notiert. Die alte Geigenbegleitung war schon in der Sendung 1967 nicht mehr zu hören gewesen: ein einziger Geiger begleitet in klassischer Nachschlagtechnik. Damit verschwand diese eigenartige Geigen-Tradition und zugleich ein Grundklang der Musik. Im Tonarchiv des BR in Nürnberg finden sich rund ein Dutzend Aufnahmen aus den 1950er Jahren, die diese alte Spielweise dokumentieren (eine davon auf der CD "Fränkische Volksmusik - eine Dokumentation" Nr. 13: Der Michert. Pittersdorfer Kerwamusik 1962, hier zusammen mit Basstuba). Bis heute hat sich in der Volksmusikpflege niemand mit den rhythmischen Finessen dieser Geigenbegleitung, ihrem schwebenden Charakter, auseinandergesetzt. Dabei zählt die Stilistik zu den originellsten Ausprägungen fränkischer Volksmusik.

Armin Griebel


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