Praktikumsbericht
Im Frühjahr 2015 entschied ich mich für ein vierwöchiges Praktikum bei der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik in Uffenheim. Mit den Räumlichkeiten der Forschungsstelle und deren ungefähren Arbeitsaufgaben war ich bereits zuvor in Kontakt gewesen. Als Programmpunkt des Seminars "Einführung in die musikalische Volkskunde" bei Dr. Heidi Christ im Rahmen des Studiums der Europäischen Ethnologie / Volkskunde in Würzburg besuchte ich die Forschungsstelle erstmals im Dezember 2012 (http://volksmusik-forschung.de/blog/2012-12-04/volksmusikforschung-zum-anfassen/).
Mein primärer Aufgabenbereich lag in der Erfassung von Quellenmaterial bzw. dessen Übertragung in die Datenbank der Einrichtung. Wie ich bald feststellen sollte, handelt es sich dabei um einen äußerst zeitintensiven Prozess.
Christoph Meinel, welcher das Archiv betreut, wies mich freundlich und geduldig in die Arbeit mit der Datenbank ein und hat sich weiterhin stets ausreichend Zeit genommen, um mir sämtliche technische Funktionen zu erklären, mir dadurch die Arbeitsweise der digitalen Katalogisierung vorzustellen, und mir sämtliche Fragen zu beantworten.
Beginnen sollte ich mit der Katalogisierung einiger Bücher aus der Bibliothek. Diese hatten zwar bereits eine Signatur und einen Standort zugewiesen bekommen, jedoch mussten die bibliographischen und inhaltlichen Angaben noch in die Datenbank übertragen werden. Das bedeutete konkreter das Erfassen des jeweiligen Autors, des Titels und Untertitels, der Buchherkunft, des Buchumfangs in Seiten usw. Bei relevanten Aufsätzen sollten diese separat in die Datenbank eingegeben werden. Dieser Arbeit ging ich die erste Woche über nach. Frau Christ wies mich freundlicherweise mehrmals darauf hin, dass ich zwischenzeitlich bei persönlichem Interesse auch privater Recherche nachgehen dürfe. Dabei habe ich mir einige spannende Inhalte – vor allem Liedgut – für den späteren Gebrauch heraussuchen und kopieren können.
Im weiteren Verlauf sollte ich einige Postkarten, Fotografien und Briefmarken einer digitalen Katalogisierung unterziehen. Begonnen wurde mit der Erfassung der Maße. Darauf folgend überprüfte ich die Objekte auf Beschädigungen, also auf Knicke, Verschmutzungen, ausgefranste Ränder und andere Mängel. Als inhaltlich abwechslungsreich empfand ich im Besonderen die Bearbeitung von älteren Postkarten. Was diese betrifft, so galt es neben dem bisher Genannten zu untersuchen, woher und wohin die Karten geschickt wurden. Außerdem las ich die Inhalte und überprüfte diese auf Namen, Berufsbezeichnungen und Tätigkeiten. Da das von mir untersuchte Material aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammte, waren die meisten Karten in Sütterlin verfasst. Als jemand, der in den 1990ern geboren ist, war mir diese Schrift bisher völlig fremd gewesen. Mir blieb also nichts anderes übrig, als diese zu lernen. Ich bin davon überzeugt, dass mir diese neu erworbene Fähigkeit noch häufig nützlich sein wird, insbesondere was historisch-archivalische Quellenforschung betrifft. Nicht nur die Nachrichten auf der Rückseite der Postkarten mussten festgehalten werden, sondern auch sämtlicher gedruckter Text wie Copyright, Verlag u.a. Nicht selten waren die Buchstaben zu klein oder unleserlich, so dass die Bereithaltung einer Lupe unabdingbar wurde. Die meisten Karten zeigten Blaskapellen, oft mit Bezug auf das Oktoberfest. Es galt dann, die jeweilige Inszenierung so in der Datenbank zu beschreiben, dass alle relevanten Daten berücksichtigt sind. Ich beschrieb die Kleidung der Leute, welche sich oftmals in Trachten zeigten, ihre Positionierung im Bild, Requisiten und Hintergrund. Gerade bei den Kapellen versuchte ich auch, alle gezeigten Instrumente festzuhalten, wobei mir deren Bestimmung als Laie nicht immer leicht fiel. Neben den eben geschilderten Blaskapellen bearbeitete ich auch zahlreiche Postkarten mit Fotografien von Militärkapellen des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Feldpostkarten im Allgemeinen fielen mir sehr häufig in die Hände. An diesen historischen Zeugnissen reizte mich besonders, die geschriebenen Worte im Hinblick auf das Datum und den Ort, an welchem sie geschrieben wurden, in den geschichtlichen Kontext des Kriegsverlaufes zu bringen. Neben Fotografien von Soldaten mit Musikinstrumenten oder Militärkapellen katalogisierte ich auch einige Bilder von Paraden und Festzügen mit militärischem Kontext. Des Weiteren bearbeitete ich Bilder und Fotografien von Volkstänzen, wobei es besonders herausfordernd war, die dargestellten Bewegungen zu deuten und in der Datenbank niederzuschreiben. Auch einzelne Briefmarken mit musik- oder tanzrelevanten Darstellungen waren zu bearbeiten, ebenso private Fotografien. Alle diese Quellen mussten ausgemessen, eingescannt, in der Datenbank ausführlich eingetragen und beschrieben werden, um sie dann, nach Kennzeichnung mit einer entsprechenden Signatur, in einem Archivkarton ablegen zu können.
Eine weitere Aufgabe bildete die Transkription von zwei Tonaufzeichnungen. Die erste Audiotranskription beschäftigte sich mit Frau Maußner, welche Horst Steinmetz – der vorherige Leiter der Forschungsstelle – im Rahmen einer Feldforschung in Geroda 1985 interviewt hatte. Steinmetz befragte auf diesen Aufnahmen Frau Maußner nach Liedern, die sie in vergangener Zeit gehört und notiert hatte. Für jeden Vierzeiler sollte ein Eintrag in der Datenbank angefertigt und mit einer Zeitmarke versehen werden. Dieses war eine Arbeit, die zwar sehr lange dauerte und aufgrund des Dialektes der Gewährsfrau oftmals zu Verständnisschwierigkeiten führte, jedoch an einigen Stellen inhaltlich um so mehr Spaß bereitete. "Geh wech von meim Fenster, was hast denn im Sinn? Wenn'st a rechter Bu wärst, dann wärst lang scho drin", so lautete ein Vierzeiler der eher "schmutzigen" Sorte, an welchen sich Frau Maußner erinnerte. Dabei fiel mir auf, dass sie einige Vierzeiler zur immer selben Melodie vortrug. Ich bemerkte auch, dass mir einige dieser Weisen sehr bekannt vorkamen, ohne dass mir eingefallen wäre woher. Als Zweites bearbeitete ich ein Interview mit Artur Korn aus Schweinfurt. In diesem erzählte Herr Korn autobiographisch über seinen Werdegang als Jazz-Musiker. Der heute über 80-Jährige sprach unter anderem darüber, wie er sich während der NS-Zeit heimlich mit seinen Freunden traf, um Swing-Musik anzuhören; wie er von amerikanischen Besatzern gezwungen wurde, für sie Musik zu spielen; wie er Jazz-Konzerte veranstaltete, teils mit, teils ohne Erfolg, und von seiner Zeit mit dem "Arko-Quartett", in welchem er das Saxophon zu spielen pflegte. Auch hier musste die Tonaufzeichnung in Sinnabschnitte geteilt und mit Zeitangaben in die Datenbank eingetragen werden.
Mit den Transkriptionen, dem Katalogisieren und der Eingabe in die Datenbank hatte ich mich also hauptsächlich beschäftigt. Dazwischen gab es jedoch immer wieder erhellende Gespräche mit den Angestellten über deren Arbeit, deren Vorstellung von den Forschungsaufgaben des Instituts und den aktuellen Forschungstätigkeiten. Hin und wieder durfte ich auch kleinere Aufgaben erledigen, wie zum Beispiel Lieder zu einem bestimmten Thema heraussuchen und kopieren.
Abschließend möchte ich noch sagen, dass das Praktikum bei der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik sehr aufschlussreich für mich gewesen ist. Ich habe nicht nur Einiges über die Arbeitsweise an einem solchen Institut gelernt, sondern mich auch fachlich weiterbilden können und einen neuen Interessensbereich – nämlich die musikalische Volkskunde – für mich entdeckt. Das Team der Forschungsstelle war überaus freundlich und entgegenkommend. Sie beantworteten mir alle Fragen und sorgte sich stets darum, mir den Aufenthalt in Uffenheim so vielfältig und ertragreich wie möglich zu machen.
Lukas Wittstatt
Kommentare (1)
Günter Reins:
19 Okt 2016 um 11:10
Erst mal: Danke für den ausführlichen, interessanten Bericht!
Wenn man bedenkt, welche persönlichen Geschichten hinter all den Postkarten, Liedern, Interviews etc. stecken, ermißt man wohl erst, welche Bandbreite die Musik-Ethnologie hat. Wie gut, daß junge Menschen dafür interessiert werden!
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