Christian Nützel

Christian Nützel

Den Kiem Pauli Oberfrankens hat man ihn genannt, den Lehrer und Volksliedsammler Christian Nützel aus Guttenberg. Am Zentrum für Populäre Kultur und Musik in Freiburg, früher Deutsches Volksliedarchiv werden 757 Lieder, 418 Strophen von Schlumperliedli, 101 Kinderlieder und 86 Abzählreime aus seiner Sammlung verwahrt. In zwei dicken Bänden steht Nützels Liedersammlung in moderner Notenschrift zur Verfügung. Heute ist der 75. Todestag von Christian Nützel. Deswegen stand der oberfränkische Volksliedersammler im Mittelpunkt der Sendung »Fränkisch vor Sieben« auf BR Heimat am 3. Februar 2017. Beim vorliegenden Text handelt es sich um die schriftliche Fassung des Moderationstextes.


Saubara Madla – schneidiga Buam
Küpser Volksmusikanten

Die Küpser Volksmusikanten haben uns die sauberen Madla und schneidigen Buam aus Oberfranken vorgestellt. Guttenberg, Kulmbach, Bayreuth, Helmbrechts, das sind die oberfränkischen Orte, die im wesentlichen mit dem Leben von Christian Nützel verbunden sind. In Guttenberg ist er geboren, als Gastwirtssohn, in Kulmbach hat er die Präparandenschule besucht, anschließend die Lehrerbildungsanstalt in Bayreuth. Über ein paar kleinere Stellen ist er letztendlich Lehrer in Helmbrechts geworden. Dazu erzähle ich gleich mehr. Jetzt hören wir erst mal Karin und Ingeborg Degelmann mit »Es war ein junges Mädchen von reizender Gestalt«. Von 1985 stammt die Aufnahme, also zwei Jahre vor der Veröffentlichung von Band 1 der Nützel’schen Liedersammlung, die maßgeblich auf einen Vortrag von Horst Degelmann zurück geht. »Es war ein junges Mädchen von reizender Gestalt« – am 25. Juli 1931 hat Christian Nützel das Lied vom Bierwirt Joseph Friedrich aus Horbach aufgezeichnet.


Es war ein junges Mädchen
Karin und Ingeborg Degelmann

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 587

Lausmoil Boarischer
Eismannsberger Saitenmusik

»Fränkisch vor Sieben« mit der Eismannsberger Saitenmusik und dem »Lausmoidl Boarischen«. Der Lehrer und Volksliedsammler Christian Nützel steht heut im Mittelpunkt der Sendung. Am 29. Dezember 1881 ist er als erstes Kind des Wirts, Brauers und Metzgers Leonhard Nützel und seiner zweiten Frau Sophie geboren worden, im elterlichen Gasthaus »Goldene Rose«. Sechs Geschwister und drei Stiefgeschwister aus der ersten Ehe des Vaters hat er gehabt. Mit Sicherheit hat er dort im Wirtshaus schon viele Lieder und Tanzmusikstückla gehört. Zwar hat er daheim bei allen Arbeiten mithelfen müssen, obwohl er lieber in Bücher geblättert hat, doch immerhin ermöglichten seine Eltern ihm, ab 1895 die Präparandenschule in Kulmbach und danach von 1899 bis 1901 dir Lehrerbildungsanstalt in Bayreuth zu besuchen. Dort, in Bayreuth hat er auch Unterricht in Gesang, Violine, Viola, Klavier und Orgel bekommen und die Vorbildung für das Amt des Chorleiters. In Guttenberg hat der Wirts-Christian, wie er genannt worden ist, als Schulpraktikant angefangen. – »Schwiegermutter leucht' amoll, es is a Ratz im Stoll! Schwiegermutter brengt a Licht und gleich hammern kriggt!« hat ihm der Färber Adam Benker aus Helmbrechts am 17. September 1933 vorgesungen

Schwiegermutter leucht amoll
Fölschnitzer Streichmusik

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 404

Drei Blätter von der Lindn
Singkreis Zirndorf

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 547

Rheinländer
Lichtenauer Musikanten

Das waren die Lichtenauer Musikanten mit einem Rheinländer. Davor der Singkreis Zirndorf, und natürlich was das Lied von den »Drei Blättern von der Lindn« auch aus der Sammlung Nützel. Briefmarken, Mineralien, Versteinerungen, Münzen und Bücher hat er schon in der Jugendzeit gesammelt. Ab 1921 hat er Volkslieder und Tanzmusik gesammelt. Das gerade gehörte Lied hat er am 17. Mai 1937 von dem Schmied Konrad Söllner aufgezeichnet. Als Ortsangaben stehen Eppenreuth und Grünlas dabei, die gehören beide zur Gemeinde Grafengehaig, aber wie genau das jetzt zugegangen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Genauso wenig ist klar, woher die Verse zum Lied »Mei Schatz der is ver Affnniest« stammen. Einen Vers jedenfalls hat er am 19. November 1935 vom Auszügler Georg Böhm aus Helmbrechts gehört. Affennest, das hat’s tatsächlich gegeben, heute heißt die Ortschaft Lerchenhügel und gehört zu Schwarzenbach am Wald. Wahrscheinlich geht der Ortsname auf die Bezeichnung »Auf dem Nest« zurück, aber irgendwann in den 1930-er Jahren ist der Name in Lerchenhügel umgewandelt worden. Bestimmt nicht nur, weil ein paar Schulbuben vor der Frankenwaldkarte »gepfockst« haben, wenn die Äuglein, als wären sie magnetisch gesteuert, immer wieder zum Dorf Affennest abgewandert sind. Boxgalopp hat dem Dorf einen Besuch absolviert.

Affnniest
Boxgalopp

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 422

Und es gibt ja keine Rosen ohne Dornen
Neualbenreuther Zwio

Liedersammlung Christian Nützel Band 1, Seite 318-319

Meine Rosen
Tanngrindler Musikanten

Ihre Rosen haben uns die Tanngrindler Musikanten überreicht. Das Neualbenreuther Zwio hat festgestellt »Und es gibt ja keine Rosen ohne Dornen«. Zwei leicht voneinander abweichende Melodien hat Christian Nützel aufgezeichnet, die eine ohne Ortsangabe, die andere mit dem Hinweis, so würde das Lied in der Kulmbacher Gegend gesungen. Schon 1910 ist er dem 1823 gegründeten Leseverein Helmbrechts beigetreten, in dem sich literaturbegeisterte und sangesfreudige Bürger zusammengefunden haben. Dort hat man ihn gleich zum Chorleiter ernannt. Beim Darlehenskassenverein Oberweißenbach hat er sich ebenfalls engagiert und so über die von ihm betreuten Bauern als auch über die Fabrikarbeiter und Hausweber in seinem Gesangverein die richtigen Gewährsleute für seine volksmusikalische Sammlung gefunden.

Auf und ab
Herr Dö & Co

Fuhrmannslied
Rhöner Schulmeister

Volkslieder aus der Bayerischen Ostmark, Nr. 33 (Ausschnitt)

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 381

Die Rhöner Schulmeister mit einem Lied aus der Sammlung von Christian Nützel, das sie »Fuhrmannslied« genannt haben. Der Rentner Karl Bayer aus Wüstenselbitz hat es 1933 vorgesungen. Nützel hat es im Büchlein »Volkslieder aus der bayerischen Ostmark mit Bildern und Weisen« 1938 herausgegeben. Schon damals hat seine Sammlung nach eigenen Angaben über 550 einheimische Volkslieder etwa 800 bodenständige Tanzmelodien und über 1000 Schlumperliedchen – also Vierzeiler – nach vielen Melodien umfasst. Ganz sicher ist sie später noch gewachsen. Seine Sammeltätigkeit hat sich auf die Jahre 1922/23, 1928/29 und 1933 bis 1938 konzentriert. In der Chronik seines Gesangvereins erzählt der Sänger Gustav Peetz vom 9. August 1931, von einer Autofahrt des Vereins in die Fränkische Schweiz: »Ein alter Bekannter sang uns währenddesen einige Lieder vor, die er in seinen jungen Jahren sang. Unser Herr Nützel notierte sich dieselen gleich auf, Text und Melodie, und zum Lohn spendierten wir dem Sänger einige Glas Bier und einen Kautabak.« Horst Degelmann berichtet, Christian Nützel habe das absolute Gehör gehabt.

Automobil-Schottisch
Höfener Musikanten

Lieben und Leiden
Leyher Stubenmusik

»Lieben und Leiden« – der gerade gehörte Titel von der Leyher Stubenmusik passt hervorragend zu jenem Titel, um den man nicht herumkommt, wenn von Christian Nützel die Rede ist. Ein richtiger Evergreen ist ihm da gelungen. Er hat die Lieder nicht nur aufgezeichnet und gesammelt, sondern einige davon mit seinem Chor dem Liederhort Helmbrechts und vermutlich wieder andere auch mit seinen Schulklassen gesungen. An Wettsingen und Preisausschreiben mit eigenen Kompositionen hat er ebenfalls teilgenommen. 1933 ist ihm ein wahrlich großer Wurf gelungen. Aus zwei Vierzeilern hat er ein Lied gemacht: Den ersten Teil »Mei Schatz, des is a Schlampera« hat er 1929 in Helmbrechts bei der Fabrikarbeiterin Gretl Thüroff aufgezeichnet, den zweiten Teil „Troch Wasser zu, es Feierheisla brennt“ 1923 in Guttenberg. »Womit er offensichtlich einen guten Griff getan: die Liederhortler erkoren den Schlampera zum Leiblied, Schlachtgesang, Triumphmarsch, Heroldsruf und Signal bei allen möglichen Anlässen«.

Der Schlamperer
Gesangsgruppe Schöffel

Liedersammlung Christian Nützel Band 1, Seite 313

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 385

 

Fränkische Tänze, Seite 14/15 und 78

Schneidige Mannerleut
Kapelle Es-As

Spät ist es geworden bei »Fränkisch vor Sieben«. Heute steht Christian Nützel im Mittelpunkt und der hätte bestimmt mit der Kapelle Es-As auf ein paar schneidige Mannerleut gesetzt. Bald nämlich hat er viele Anfragen von anderen Chören nach dem Lied vom Schlamperer erhalten, eine Veröffentlichung geplant, aber, wegen der »Anzüglichkeit des Textes« keinen Verlag gefunden. Josef Ulsamer hat schließlich Mitte der 1950-er Jahre das Stück ausgewählt und an Hans Beier weitergegeben. Der wiederum hat die »schmissige Melodie« perfekt für seine Jugendarbeit gefunden, ratz fatz ein paar Tanzfiguren dazu choreografiert und fertig war der echt fränkische Volkstanz vom Schlamperer, 1957 im Heft »Fränkische Tänze« veröffentlicht. Andere Vierzeiler, Schlumperliedla, wie Christian Nützel sie genannt hat, hören wir jetzt von den Waischenfelder Burgmadla. 1933 dem Christian Nützel vorgesungen vom Hausweber und Gütler Friedrich Krippner aus Hohenberg.

Weberstanz
Waischenfelder Burgmadla

Volkslieder aus der Bayerischen Ostmark, Nr. 29 (Ausschnitt)

Liedersammlung Christian Nützel Band 2, Nr. 359

Au weh zwick
Blechquetscher

Hau zua
Duo Saitenverkehrt    

Mit dem Duo Saitenverkehrt und den Blechquetschern haben wir uns ein wenig von Christian Nützel entfernt. Dabei wäre noch sooo viel zu erzählen, vom »Archiv für Frankenwald-Volksmusik und -lied« in Helmbrechts, das unter anderem den Nachlass des Musikers Hans Taubald aus Helmbrechts umfasst hat und nach dem Zweiten Weltkrieg verschollen ist, von den Forschungen von Richard Taubald und Horst Degelmann, von den Publikationen von Erwin und Franzi Zachmeier und Franz Josef Schramm, und von all den Sängerinnen und Sängern, die die Lieder aus der Sammlung Nützel bis heute – oder heute wieder – lebendig halten. Schauen Sie doch einfach mal auf der Internetseite der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik nach, welche Lieder das sind. Unter dem Menüpunkt Datenbank geben Sie dazu in der erweiterten Suche bei Quelle den Namen Nützel ein. Sie werden staunen!

Ade zur guten Nacht
Gerd Semle

Mit Gerd Semle haben wir schon verraten, dass die Sendung zu Ende geht. Die Musikauswahl mit den vielen Nützel-Liedern war auch heute wieder von Maria Bauer und am Mikrophon verabschiedet sich Heidi Christ zu den Klängen der Großreuther Volksmusik.

Trompetenländler
Großreuther Volksmusik

Heidi Christ

 

Mehr von und über Christian Nützel finden Sie hier:


Nützel, Christian: Volkslieder aus der Bayerischen Ostmark. Kassel: Bärenreiter, 1938. (= Landschaftliche Volkslieder mit Bildern und Weisen 34; Bärenreiter-Ausgabe 1249).


Zachmeier, Erwin; Zachmeier, Franziska (Hgg.): Die Liedersammlung des Christian Nützel. Erster Band. München: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V., 1987. (= Lied, Musik und Tanz in Bayern 32).
Vergriffen. PDF-Datei zum kostenlosen Download hier


Schramm, Franz Josef; Zachmeier, Franziska (Hgg.): Die Liedersammlung des Christian Nützel. Zweiter Band. München: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege e.V., 1995. (= Lied, Musik und Tanz in Bayern 46).
Bestellen hier

Zachmeier, Erwin: Pläne zur Herausgabe der "Sammlung Nützel", in: Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik Bezirk Mittelfranken e.V.; Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik Bezirk Oberfranken e.V.; Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik Bezirk Unterfranken e.V.: Fränkische Volksmusikblätter. Eine Vierteljahresschrift für die Pflege der fränkischen Volksmusik. Vereinsorgan der Arbeitsgemeinschaft Fränkische Volksmusik, 7. Jg./II, Heft 25. Stein: o.V., 1983, S. 025-037.
PDF-Datei zum kostenlosen Download hier.

Geiger, Helmut: Christian Nützel: der vergessene Sohn Guttenbergs, in: inFranken.de; Zum Artikel hier


Schusser, Ernst; Holzapfel, Otto (Hgg.): Auf den Spuren von Christian Nützel (1881-1942) in Oberfranken mit einer Exkursion nach Thüringen und zu den Instrumentenbauorten Klingenthal und Markneukirchen im sächsischen Vogtland. München: Bezirk Oberbayern, 1997. (= Auf den Spuren von ... 13).


Taubald, Richard: Das Volkslied im Frankenwald. Christian Nützels Sammlung von Volksliedern, Kinderliedern und Volkstänzen aus Helmbrechts und Umgebung, Teil I und Teil II. o.O.: o.V., 1957. (= Zulassungsarbeit zur Künstlerischen Prüfung für das Lehramt an Höheren Schulen, Fachrichtung Musik [Universität Bayreuth])


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