Allerweltskirchweih

Kirchweihbaum-Aufstellen mit sogenannten
Kirchweihbaum-Aufstellen mit sogenannten "Schwalben" (Röckingen, 1959)

Eigentlich ist die Kirchweih ja ein Fest der Kirchen-Weihe und Kirchen werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten baulich fertiggestellt und geweiht, eben auch bestimmten Patrozinien unterstellt, die auch nicht alle am gleichen Tag begangen werden. Schon Papst Gregor I. (geboren um 540, Papst ab 590 bis zu seinem Tode 604) soll es gefallen haben, dass man an Weihetagen der Kirchen und an den Geburtsfesten der Märtyrer und Heiligen Zelte und Lauben um die Kirchen errichtete, um festliche Mahle mit religiösen Gebräuchen abzuhalten. Kirchweihfeiern sind sogar schon ab der Weihe der Kreuzkirche in Jerusalem (355) jedes Jahr nachzuweisen.

Bis zum frühen Mittelalter fehlen allerdings Belege über die Ausgestaltung dieser wichtigen religiösen Feiern. Es wird angenommen, dass viele Menschen zusammenkamen und di eGelegenheit für Handelsmärkte, Spiel, Musik und Tanz nutzten. Bereits damals sorgten Wirte für das leibliche Wohl. Bald wurde die Kirchweih dann neben Weihnachten, Ostern und Pfingsten den hohen Festzeiten zugerechnet. An diesen Tagen fiel schon im 16. Jahrhundert der Speisezettel reichhaltiger aus als an gewöhnlichen Tagen.

Mit der Lösung der weltlichen Feier von ihrem sakralen Ursprung geriet die Kirchweih allerdings auch zunehmend in Kritik der Obrigkeit, sowohl von weltlicher als auch von kirchlicher Seite. Disziplinierungsversuche mit einer Vielzahl von Verordnungen zur Beseitigung moralischer Missstände und zur Vereinheitlichung von von Kirchweihterminen waren die Folge. Um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert erfolgte die Verlegung des Kirchweihtanzes und aller weltlichen Brauchelemente auf den Montag. Damit wurde die Bedeutung des gottesdienstlichen Teils der Kirchweih am Sonntag unterstrichen. Die Vergnügungen des Volkes wurden allerdings weiterhin als sittliche und moralische Ausschweifungen gesehen, die in den Augen geistlicher und weltlicher Herrscher unweigerlich zu Verrohung und Brutalisierung führen mussten.


Durch die terminliche Trennung der weltlichen von der kirchlichen Feier sollte diesen Gefahren Einhalt geboten werden. Durch das Gesetz der Königlich Bayerischen Staatsregierung über Tanzlustbarkeiten von 1853 wurden die Tanzveranstaltungen an Kirchweihfesten und Markttagen eingeschränkt und gleichzeitig die Kreisregierungen zur Zusammenlegung der weltlichen Kirchweihfeiern ermächtigt. Auch bei den kirchlichen Behörden beider Konfessionen wurde die Zusammenlegung der Kirchweihfeiern und die Abtrennung des weltlichen Festes diskutiert.

Für die evangelischen Gemeinden in der Gegen um Ansbach bezog beispielsweise das zuständige Konsistorium Stellung. Dort stellte man fest, der Kirchweihtermin sei fest im Bewusstsein der Familien verwurzelt, neben seiner religiösen Bedeutung sei dies der lieb gewonnenen Tag der Verwandten- und Freundesbesuche, die Zusammenlegung der Kirchweihtermine führe zu einer Verminderung des Gemeindebewusstseins und einer Umformung des Festes zu rein weltlicher Lustbarkeit. Bis heute sind nicht zuletzt deswegen in den evangelischen Gemeinden die unterschiedlichen Kirchweihtermine geblieben.

Im Gegensatz dazu wird in den katholischen Gemeinden der Diözesen Eichstätt und Augsburg bis auf wenige Ausnahmen die sogenannte Allerweltskirchweih am dritten Oktobersonntag begangen. „Als das einzige Mittel, um auch da, wo die weltliche Feier noch nicht verlegt ist, diese Verlegung durchzusetzen, und die im Gefolge dieser profanen Feier befindlichen moralischen Nachteile möglichst zu beschränken“, regte das Bischöfliche Ordinariat Eichstätt 1856 die Verlegung der religiösen Kirchweihfeiern auf diesen Termin an.  Doch trotz päpstlicher Genehmigung wagte das Ordinariat die Verlegung der Kirchweihfeste nicht Der Widerstand der Bevölkerung war zu groß. Das päpstliche Indult wurde erst 32 Jahre später in Kraft gesetzt und durch die Verfügung der Regierung von Mittelfranken vom 4. April 1868 über die Verlegung der weltlichen Kirchweihfeiern in den katholischen Gemeinden des Bistums Eichstätt ergänzt.

So werden beispielsweise in der Hesselberg-Region bis auf wenige Ausnahmen (Herrieden, Weinberg) in katholischen Gemeinden die Kirchweihen am dritten Oktoberwochenende gefeiert, während die evangelischen Gemeinden in der Zeit vom Sonntag Misericordias Domini, zwei Wochen nach Ostern (Großbreitenbronn), bis in die eigentlich kirchweihfreie Zeit am 3. Adventssonntag (Bechhofen a. d. Heide) Kirchweih gefeiert wird.

Zum Weiterlesen:

Heidi Christ: Kirchweih in der Region Hesselberg. Ein Beitrag der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik zur Brauchforschung in Mittelfranken (= Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg 4; Veröffentlichungsreihe der Forschungsstelle für fränkische Volksmusik 58), Unterschwaningen und Uffenheim 2005.

Zum Mitsingen:

Heut is Kerwa, heut is Lebn. Kirchweivierzeiler aus der Hellmitzheimer Bucht.

Kirbaliadli rund um den Hesselberg.

Di Kirwa is kumma. Vierzeiler aus dem südlichen Mittelfranken.

Heidi Christ

 


Kommentare (0)


Kommentar schreiben:





Erlaubte Tags: <b><i><br>Kommentar hinzufügen: