Vom Himmel hoch, da komm ich her
Am 31.10. feiern nicht nur große Teile der (englischsprachigen) Welt Halloween, sondern auch die evangelischen Christen den Reformationstag. Ein Name, der in der Geschichte der Reformation kaum wegzudenken ist, lautet Martin Luther. Obwohl er der Musik als Teil einer religiösen Feier gegenüber anfangs skeptisch eingestellt war, änderte er bis 1530 seine Einschätzung. In einem Brief an Ludwig Senfl schrieb er: »Ich liebe Musik.« Später beschrieb er Musik als »Schöpfungsgabe »und »Herzensache«.
Heute gilt Luther als wichtiger Kirchenlieddichter. 24 Lieder wurden 1524 veröffentlicht, insgesamt existieren über 30 Dichtungen. Grundlage waren häufig lateinische oder deutschsprachige Texte des Mittelalters oder der Bibel. Eines seiner heute bekanntesten Lieder ist das Weihnachtslied Vom Himmel hoch, da komm ich her. Luther selbst bezeichnete es auch als Kinderlied (»Kinderlied auf die Weihnacht Christ«). Dies hat zu der gern erzählten, aber vermutlich nicht in der Realität verankerten Legende geführt, Luther habe das Lied für seine Kinder gedichtet. In Vorbereitung auf die Veröffentlichung eines neuen Weihnachtsliederbuches, singen und summen die Mitarbeiterinnen der Forschungsstelle bereits seit Monaten verschiedene Weihnachts- und Adventslieder. Prominent dabei vertreten ist auch das wohlbekannte Vom Himmel hoch, da komm ich her. Aber woher kommt das Lied eigentlich genau? Und wie ist es bis zu uns nach Uffenheim gekommen?
Das Lied ist 1535 entstanden. Der Text greift inhaltlich auf das Lukas-Evangelium (Kapitel 2, Verse 8-18) zurück und wurde 1535 auf die Melodie des seinerzeit weitverbreiteten, weltlichen Liedes Ich kumm aus fremdben Landen her gesungen. 1539 wurde sein Text erneut veröffentlicht, jedoch mit einer neuen Melodie. Diese Melodie wird Luther zugeschrieben und ist die heute bekannte. Warum Luther nur wenige Jahre nach der ersten Veröffentlichung eine neue Melodie verwendete, wird weiterhin in der Forschung diskutiert. Eine Version der Erstversion von 1535 findet sich im Liederlexikon des ZPKM.
Ab 1541 scheint sich Vom Himmel hoch in evangelischen Gesangsbüchern etabliert zu haben. Von da an ging es den Weg aller populären Lieder: Umdichtung, Parodien, Weiterverbreitung ohne und mit Quellenangabe. 1555 gab der protestantische Pfarrer Valentin Triller eine Version dieses Liedes in seinem »Schlesischen Singebüchlein« heraus - und nutzte dafür wieder die Melodie von Ich kumm aus fremdben Landen her, stellte dem Lied eine neue Eingangsstrophe (»Es kam ein Engel hell und klar«) voran und bearbeitete weite Teile des Textes.
Trillers Version wurde wiederum vereinzelt von Herausgebern katholischer Gesangbücher aufgegriffen, allerdings aber mit Luthers Melodieführung abgedruckt. Erst im 20. Jahrhundert fand Vom Himmel hoch, da komm ich her auch im katholischen Liedrepertoire vermehrte Verbreitung, vor allem seit seiner Übernahme in das katholische Gesangbuch Gotteslob (1975) - weiterhin mit Trillers Eingangsstrophe.
Ein Beispiel für die Umdichtungpraxis haben wir auch in der Forschungsstelle gefunden. In einem Kinderliederbuch steht ein Reim, der deutliche Inspiration durch das Weihnachtslied aufweist:
Vom Himmel hoch da kam' ich her,
Lang mi 'nmal par Nottjens her!
Sind se wat grot, da hett keen Noth,
Sind se wat kleen, gif mi twee for een.
Im Übrigen: Anders als gern erzählt, schlug Luther nicht am 31. Oktober 1517 seine Thesen an die Wittenberger Kirchentür. Sicher ist jedoch, dass er an diesem Tag einen Brief an den Erzbischof Albrecht von Brandeburg, Magdeburg und Mainz verschickte, in dem Luther den Peterablass von 1517 kritisierte - und so zwar nicht die Kirchentür als Pinnwand benutzte, dafür aber große Steine ins Rollen brachte.
Zum Weiterlesen:
»Vom Himmel hoch, da komm ich her« im historisch-kritischen Liederlexikon des Zentrums für Populäre Kultur und Musik.
Joachim Stahlmann: »Luther, Martin«, in: MGG2, Personenteil Band 11, Kassel u.a. 2004, Sp. 636-654.
Michael Klaper (Hrsg.): Luther im Kontext. Reformbestrebungen und Musik in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (= Studien und Materialien zur Musikwissenschaft Band 95), Hildesheim u.a. 2016.
Bildquellen:
Titelblatt: [Max Friedlaender; Kommission für das Volksliedbuch]: Volksliedbuch für gemischten Chor, Partitur, Erster Band, Leipzig [1915], S. 15.
Abbildung 1: Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch. Ausgabe für das Erzbistum Bamberg. Bamberg 1975, S. 213.
Abbildung 2: Böhme, Franz Magnus (Hg.): Deutsches Kinderlied und Kinderspiel. Volksüberlieferungen aus allen Landen deutscher Zunge. Leipzig 1897, S. 193.
Merle Greiser
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