Oj, Chanuke!

Oj, Chanuke!

Am 25. Kislew eines jedes Jahres beginnt das achttägige Lichtfest Chanukka. Die jüdische Kalenderrechnung ist lunisolar. Neben der Ausrichtung an den Mondphasen gibt es ebenso wie in der gregorianischen Kalenderrechnung Schaltjahre, sodass sich der Monat Kislew zeitlich mit den Monaten November und Dezember überschneidet. In diesem Jahr wurde Chanukka vom 2. bis 10. Dezember gefeiert.

Chanukka erinnert an die Neuweihe des zweiten Tempels in Jerusalem im Jahr 3597 der jüdischen Zeitrechnung bzw. 164 v. Chr. Während der Herrschaft der Griechen wurde in diesem Tempel eine Statur des griechischen Gottes Zeus aufgestellt, der in der hellenisierten Umdeutung ebenso für den jüdischen Gott stand. Nach einem erfolgreichen Aufstand durch die Makkabäer, sollte der Tempel wieder für den traditionellen jüdischen Gottesdienst genutzt werden und die Menora, der siebenarmige Leuchter im Tempel sollte nie mehr erlöschen. Der Erzählung nach war aber nun das Problem, dass die Leuchtmittel vor zweitausend Jahren ausschließlich auf der Grundlage von Öl funktionierten - einfach zusammengefasst: Kein Öl, kein Licht. Doch ein Großteil des Ölvorrates im Tempel war mit der hellenisierten Religionspraxis in Berührung gekommen und galt somit als entweiht. Alles, was übrig blieb, war ein kleiner Krug mit geweihtem Öl, gerade genug für einen Tag. Neues Öl zu weihen, dauert jedoch deutlich länger. Doch anstatt des eines Tages, für den das Öl ausgereicht hätte, brannte der Leuchter acht Tage, bis neues Öl geweiht werden konnte. Heute erinnert Chanukka vor allem an dieses Wunder.

Das Entzünden des Chanukka-Leuchters

Nach dem Anzünden der Lichter kann im aschkenasischen Ritus die Hymne »Maos Zur« (= »Fels und Hort«) gesungen werden. Über den Autor ist nichts bekannt, einzig sein Name lässt sich aus den Anfangsbuchstaben jeder Strophe ableiten: Mordechaj. Vermutlich hat er im 12. oder 13. Jahrhundert gewirkt. Die bis heute verbreitete Melodie ist jünger, Eduard Birnbaum zieht eine Verbindung zu dem Lied »So weiß ich eins das mich erfreut«, welches Ludwig Erk und Franz M. Böhme auf das 16. Jahrhundert datieren (Erk/Böhme: Deutscher Liederhort Bd. 2, S. 242f). Die Anfangsphrasen beider Melodien weisen Ähnlichkeiten auf. Abraham Zwi Idelsohn weist auf Zusammenhänge zu frühen protestantischen Chorälen hin.

Anfangsphrase Maos Zur

Anfangsphrase So weiß ich eins das mich erfreut

Die erste Notenaufzeichnung von »Maos Zur« lässt sich auf 1744 datieren, der erste Druck erschien 1815 in Isaac Nathans Hebrew Melodies, hier mit dem Text des Gedichts »On Jordan’s Banks« von George Gordon Byron. In der Publikation Vorbei... Dokumentation jüdischen Musiklebens in Berlin 1933-1938 findet sich eine Audio-Aufnahme von »Maos Zur« aus dem Jahr 1932. Sie kann in der Forschungsstelle angehört werden.

In heutigen Reformgemeinden wird in der Gesangspraxis von »Maos Zur« mittlerweile auf Nachdichtungen in den jeweiligen Landessprachen zurückgegriffen. In den USA erfreut sich die Version »Rock of Ages« weiter Verbreitung. Der Text ist eine direkte Übertragung der deutschen Übersetzung, die Leopold Stein anfertigte.

Der in Burgreppach geborene Leopold Stein war Rabbiner, Schriftsteller ein Vertreter der jüdischen Reformbewegung. Für seine Ausbildung war er unter anderem in Fürth und Würzburg. 1843 folgte er einem Ruf nach Frankfurt a.M., dort war er bis 1861 in der jüdischen Gemeinde tätig.

Khanike-Gelt

In einem Heischevers aus ostjüdischer Überlieferung findet sich der Brauch des Chanukka-Gelds (jiddisch »Khanike-Gelt«). Ursprünglich eine Gabe an Arbeiter zur Chanukka-Zeit, hat sich der Brauch bis zum 19. Jahrhundert in eine ritualisierte Schenkung von (Schokoladen-)Münzen an Kinder gewandelt. In den USA stehen mittlerweile an der Stelle von Münzen Geschenke, in Anlehnung an das christliche Weihnachten.

»Tshipe-Dvoyre
Gay arup fin vugn
Tshipe-Dvoyre
Kh’vel dir epes zugn
Tshipe-Dvoyre
S’iz a shayne velt
Tate, mame, bube, zayde
Gets mir khanike-gelt!«

Tschipe-Dwojre
Steig runter vom Wagen
Tschipe-Dwojre
Ich will dir etwas sagen
Tschipe-Dwojre
Es ist ’ne schöne Welt
Vater, Mutter; Oma, Opa
Gebt mir Chanukka-Geld!

Die Melodie zum Heischevers findet sich auch in der weltlichen Gesangpraxis in Franken - in dem Lied »Bimbela vo Laff«. Hier können wir einen Textdichter feststellen, der Nürnberger Großhändler Ferdinand Bischoff dichtete die Wörter auf die Melodie des »Margarethen-Marsches« des Wieners Leopold Kuhn, der wiederum aus dem Stück »Ein armes Mädchen« (1893) stammt. Das Bimberla wurde 1911 während einer Nürnberger Faschingssitzung erstmals aufgeführt.

Oj, Chanuke

Zu den Gassenhauern der Chanukkaliedern gehört Oj, Chanuke, hier in der Version aus dem Liederbuch Das Buch der jüdischen Lieder : Eine Sammlung von Texten und Noten aus dem Ölbaum-Verlag von 1988. Dieses Liederbuch basiert auf der Ausgabe Hawa Naschira! (Auf! Laßt uns singen!) Liederbuch für Unterricht, Bund und Haus aus dem Jahr 1935.



O Chanukka, o Chanukka,
ein Festtag, ein schöner,
ein lustiger, ein fröhlicher,
es gibt keinen, der so ist.
Jeden Abend spielen wir mit dem Dreidel,
essen kochend heiße Latkes.
Geschwinde, zündet, Kinder,
die Chanukka-Lichter an,
sagt »Al Hanissim«, lobpreiset Gott für die Wunder,
und wir tanzen gemeinsam im Kreis.

Zum Weiterlesen:
A Cultural History of Chanukah Gelt

Maoz Zur

Ölbaum-Verlag (Hrsg.): Das Buch der jüdischen Lieder : Eine Sammlung von Texten und Noten, Ölbaum-Verlag: Augsburg 1988.

Georg Herlitz und Bruno Kirschner: Jüdisches Lexikon : Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in vier Bänden, Jüdischer Verlag bei athenäum: Frankfurt a.M. 1987, Nachdruck Jüdischer Verlag: Berlin 1927.

Horst J. P. Bergmeier, Ejal Jakob Eisler und Rainer E. Lotz (Hrsg.): Vorbei... Dokumentation jüdischen Musiklebens in Berlin 1933-1938, Bear Family Records: Hambergen o.J. [2001].

Chanukka Songs, zusammengestellt vom jüdischen Museum Berlin

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