Privatinitiative "Blasmusik" – Jürgen Enser (03.08.1948 – 09.07.2018) zum Gedenken

Privatinitiative

Es war beim Tag der Volksmusik im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim 2012, als Jürgen Enser – nach flüchtiger Bekanntschaft seit 2001 – engen Kontakt zu unserer Forschungsstelle knüpfte.

Seit Jahrzehnten hatte der leidenschaftliche Fan und Kenner von Blasmusik eine umfangreiche Sammlung an Tonträgern, (Fach-)Zeitschriften und Literatur aufgebaut. Sukzessive wollte er diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen und hatte dafür bereits Strukturen auf seiner Internetpräsenz www.blasmusik-buero.de angelegt. Insbesondere dem von ihm verehrten Ernst Mosch und dessen Umfeld konnte er dort schon umfangreiche Beiträge widmen. 2012 war er auf der Suche nach Unterstützung bei der Aufbereitung und nach einem passenden Ort für seine Sammlung, wenn er sich einmal nicht mehr darum kümmern könnte. Die Forschungsstelle schien ihm der geeignete Partner und auch von unserer Seite sprach alles für die Zusammenarbeit und spätere Übernahme der Sammlung, die bald vertraglich geregelt wurde.

Jürgen Enser wuchs in Dinkelsbühl auf, wo sein Vater über die Geschäfte in der Güterhalle der Bahn wachte. Von Dinkelsbühl aus fuhr er bald auch einmal wöchentlich nach der Schule nach Nördlingen zu seinen Großeltern mütterlicherseits. Der Großvater Peter Macher war in Willanzheim bei Kitzingen geboren, aufgrund einer Gehbehinderung nicht als Soldat im Kriegsdienst, studierte vor 1914 am Konservatorium Würzburg und war nach dem Ersten Weltkrieg in Nördlingen Pianospieler im dortigen, von Peter Machers zukünftigen Schwiegervater betriebenen Kino. Peter Macher betrieb später das erste Musikgeschäft in Nördlingen. In diesem »Musik- und Radiohaus, Musikinstrumentenfabrikation« in der Löpsinger Straße 16, wie es im Adressbuch von 1950 heißt, wurden Noten und Instrumente gehandelt, letztere auch in der hauseigenen Werkstatt repariert. Jürgen Enser konnte sich an den Namen eines Mitarbeiters Mönnich aus dem Vogtland erinnern, und dass zeitweise Flügelhörner und/oder Trompeten der Marke »Daniel« in der Werkstatt des Großvaters hergestellt wurden. Viele Posaunenchöre aus dem Ries, bis nach Dinkelsbühl und an den Hesselberg seien die Kunden gewesen. »Die Musikinstrumente wurden teils von Vätern übernommen, teils anderweitig zusammengetragen. Notwendige Reparaturen wurden in der Musikwerkstatt Peter Macher in Nördlingen durchgeführt, die notfalls aus zwei defekten Instrumenten ein funktionsfähiges zusammensetzte«, erinnert man sich in der Chronik der Birkhausener Dorfmusik an die Jahre zwischen 1949 und 1959. (https://birkhausenerdorfmusik.jimdo.com/über-uns/) Zusätzlich gab es Musikunterricht bei Peter Macher. Das war der eigentliche Grund, weshalb Jürgen Enser nach der Schule in den Zug stieg und nach Nördlingen fuhr. An die Mittagessen mit den Großeltern hatte er beste Erinnerungen, der anschließende Klarinettenunterricht durch den Großvater war durch negative Eindrücke besetzt, denn die Strenge und wenig einfühlsame Pädagogik konnten den Buben nicht überzeugen. Nichtsdestotrotz spielte Jürgen Enser mindestens in den Jahren 1958 bis 1964 als Es-Klarinettist in der Dinkelsbühler Knabenkapelle.

Ein Junge in historischer Uniform hält eine Es-Klarinette in seiner rechten Hand; er steht vor einem Stadttor der Stadt Dinkelsbühl.  Ein Mädchen und ein Junge in historischen Festspielgewändern der Kinderzeche Dinkelsbühl

Foto links: Jürgen Enser mit Es-Klarinette in der Uniform der Knabenkapelle Dinkelsbühl 1958; rechts: Jürgen Enser mit der „Kinderlore“ bei der Kinderzeche Dinkelsbühl 1959.

Nach dem Tod des Großvaters Peter Macher führte sein Sohn Hans das Musikgeschäft in Nördlingen bis in die Mitte der 1980er Jahre weiter, kräftig unterstützt von Jürgen Ensers Vater, der einer Versetzung nach Hof die vorzeitige Pensionierung vorgezogen hatte. Nicht zuletzt, weil seine Eltern gern traditionelle Volks- und Blasmusik hörten, entdeckte Jürgen Enser seine Liebe zur Blasmusik.

Als ein Freund in der Nachbarschaft eine Mosch-Schallplatte aufgelegt hatte, war es um ihn geschehen: »Von Mosch war er hingerissen, auch heute ist er noch von dieser Persönlichkeit fasziniert. Es folgte eine gezielte Fokussierung auf Mosch-Aktivitäten, unzählige Konzertbesuche, private Rundfunkmitschnitte«, schreibt »Antonín« auf der Internetseite »Europäisches Portal Böhmischer Blasmusik«. Doch Jürgen Enser hatte auch offene Ohren und großes Interesse für die Blasmusiken vieler Regionen und Länder, sammelte mehr als 2.000 Vinylplatten, 6.000 CDs, 200 DVDs und zugehörige Fachliteratur zu Klassik, symphonischer Blasmusik, Volks- und Folkmusik. »In der europäischen Blasmusikszene ist er kein unbekannter Mann. Jürgen gehört zu den fachkundigen Fans und ausgesprochenen Liebhabern der böhmischen Blasmusik. Bei den Veranstaltungen, die er häufig besucht, hält er sich eher bedeckt. Damit kann er in aller Konzentration die Darbietungen in ihrer vollen musikalischen Pracht auf sich einwirken lassen. Seine tiefe Begeisterung für dieses musikalische Segment lässt sich erst in einem längeren Gespräch entdecken. Die Namen von Persönlichkeiten, Komponisten, Musikern der böhmischen Blasmusik hier anzuführen, die er bewundert und viele von ihnen aus persönlichen Begegnungen kennt, könnte an dieser Stelle gar nicht zur Gänze angeführt werden«, steht weiter im Eintrag zu seiner Person auf dem Portal. Von einer »Schatzkammer seiner musikalischen Interessen« ist dort ebenso zu lesen wie von seinem fröhlichen, umgänglichen Wesen.

Ein älterer Herr mit weißen Haaren sitzt lachend vor einer Mauer

Jürgen Enser am 24. Juni 2018 beim 32.Tag der Volksmusik im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim.


Genau so: Fröhlich, umgänglich, interessiert und kompetent durften wir Jürgen Enser kennenlernen und ein kleines Stück weit seine Arbeit begleiten. Voller Tatendrang ließ er sich in unsere Datenbank einweisen und wollte seine Sammlung perfekt geordnet übergeben. Leider hinderten ihn zunächst gesundheitliche Probleme an der Umsetzung, bevor er im Frühjahr 2018 wieder ans Werk gehen konnte. Ein letztes Mal durften wir Jürgen Enser am Tag der Volksmusik im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim begegnen, wo er fränkische Volksmusik genoss und uns eine weitere »Materiallieferung« für August in Aussicht stellte. Wenige Tage später erreichte uns die Nachricht seiner Frau, dass Jürgen Enser am 9. Juli 2018 verstorben war.

Ein Jahr nach seinem Tod ist es nun soweit, dass wir mit der Aufarbeitung seines umfangreichen Nachlasses beginnen und seine Sammlungen – ganz in seinem Sinne – sukzessive der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen können. Nicht nur hierbei werden wir Jürgen Enser gern in Erinnerung behalten und ihm stets ein ehrendes Gedenken bewahren.


Kommentare (1)

  1. Maria Martens:
    09 Jul 2019 um 08:07

    Vielen Dank!


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