Es kommt ein Schiff geladen

Es kommt ein Schiff geladen

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Mal kommt es „geladen“, mal „gefahren“, mal als „Weihnachtsschifflein“. Der Text des alten deutschen Liedes „Es kommt ein Schiff geladen“ wird dem Mystiker Johannes Tauler (14. Jhd.) zugeschrieben, das Grundgerüst der Melodie, wie wir sie heute kennen, taucht erstmals im Andernacher Gesangbuch (1608) auf. Der Dichter Daniel Sudermann (17. Jhd.), der eine Sammelleidenschaft für mystische Texte hegte, verband die Taulerschen Zeilen für sein Straßburger Gesangbuch (1626) mit einer anderen, seinerzeit bekannten Melodie - eine damals gängige Praxis. So sang man das Lied fortan zur Melodie von „Es wollt ein Jäger jagen wohl in des Himmels Thron“. Auch bei uns im Archiv befinden sich Liederbücher, die die Sudermann-Version des Liedes beinhalten, etwa das von Johannes Zauleck herausgegebene Buch der Weihnachtslieder (1921).

Neben zwei Melodievarianten finden sich auch zwei Textfassungen des Liedes. Meist haben die Herausgeber sich für eine davon entschieden, im jugendbewegten Finkensteiner Liederbuch (1928) aber finden sich beide Texte. Diese von Walther Hensel herausgegebene Liedsammlung wählt als Titel „Das Weihnachtsschifflein“ und stellt es an die Seite weiterer geistlicher Lieder wie „Es ist ein Ros’ entsprungen“ oder „Maria durch ein’ Dornwald ging“. Die Jugend, so die Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann, „genoß die bilderreiche Sprache um Marias Schwangerschaft“. Und damit lag die Jugend auch durchaus richtig, denn das Schiff wird seit jeher mit dem Mütterlichen und Weiblichen verbunden.
Ob das Schiff nun die Kirche, die Seele oder die Muttergottes symbolisieren soll – das geistliche Lied „Es kommt ein Schiff geladen“ erfuhr Anfang des 20. Jahrhunderts eine Wiederentdeckung und kann heute guten Gewissens als populär bezeichnet werden. Max Reger führte es in die klassische Musik ein, die Jugendbewegung nahm sich seiner an, es ist in den Gesangbüchern beider christlicher Konfessionen aufgeführt, findet sich aber auch in Gebrauchsliederbüchern. Und dann hat es das Lied Mitte der 2000er Jahre auch ans evangelisch-musische Johann-Sebastian-Bach-Gymnasium nach Mannheim geschafft, an dem ich, die Verfasserin dieses Textes, 2009 mein Abitur abgelegt habe. Die Jahre im Schulchor prägen mich bis heute. Unsere damalige Interpretation von „Es kommt ein Schiff geladen“ war sicher nicht vollkommen. Die Atmosphäre, die die Erinnerung daran bis heute in mir erzeugt, schon.
Wir möchten Ihnen das Lied in der wunderschönen Version des aus Bamberg stammenden A capella-Quintetts Schwesterhochfünf zeigen, der Satz stammt von Helmut Walcha.
https://www.youtube.com/watch?v=9wQMIguCyhc


Literatur und Quellen:
Fischer, Michael: Es kommt ein Schiff geladen : ausführlicher Kommentar zur Liedgeschichte (Mai 2005). In John, Eckhard (Hg.): Populäre und traditionelle Lieder : historisch-kritisches Liederlexikon, online abrufbar unter www.liederlexikon.de/lieder/es_kommt_ein_schiff_geladen/liedkommentar.pdf (letzter Aufruf 18.11.2020).
Hensel, Walther: Finkensteiner Liederbuch. Erster bis fünfter Band der Finkensteiner Blätter für Jugend und Volk. Kassel 1928.
Weber-Kellermann, Ingeborg: Das Buch der Weihnachtslieder. Mainz 1982.
Zauleck, Johannes: Das Buch der Weihnachtslieder. Leipzig 1921.

Julia Gilfert


Kommentare (1)

  1. Jutta Frick:
    01 Dez 2020 um 14:12

    Super, der Text hat mir sehr gut gefallen, eine spannende und lehrreiche wissenschaftliche, und dabei doch fesselnde und überaus anregende Abhandlung des Liedes. Ich bin gespannt auf die weiteren , noch angekündigten Lieder.


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