Hört der Engel helle Lieder

Hört der Engel helle Lieder

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Irgendwann im 18. Jahrhundert hat irgendwo in Frankreich ein Mensch eine Melodie komponiert. Vielleicht hat er sie gezielt zusammengesetzt (com-poniert eben), vielleicht intuitiv vor sich hingesummt und weitergetragen. In jedem Fall ist dieser unbekannte Mensch für eines der schönsten Weihnachtslieder verantwortlich: Les Anges dans nos Campagnes. Die älteste gedruckte Fassung des anonym überlieferten Liedes finden wir in der Sammlung „Choix de cantiques sur des airs nouveaux“ des französischen Geistlichen Louis Lambillotte aus dem Jahr 1842. Inhaltlich behandelt das Lied die vielleicht anrührendsten Zeilen der im Lukasevangelium enthaltenen „Weihnachtsgeschichte“:

In dieser Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie und sie fürchteten sich sehr. Der Engel sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.
(Lk 2,8-14, Einheitsübersetzung 2016)

Was für eine Botschaft! Ein Kind ist geboren worden, und als wäre das nicht schon Anlass genug zur Freude, ist es auch noch ein ganz besonderes Kind – es ist der Sohn Gottes, der den Menschen Frieden bringt. Wie nur soll man einer so unglaublichen, den menschlichen Verstand übersteigenden, ja wunderbaren Kunde musikalisch Ausdruck verleihen? Les Anges dans nos Campagne zeigt es uns mit seinem eingängigen, jubelnden Melisma, das den "quasi ostinaten Höhepunkt" (Prassl 2005: 39) der melodisch eher unaufgeregten Verse bildet: „Gloooooooria in excelsis deo!“ So klingt das, wenn Noten vor Freude ausflippen. Und das ist auch angebracht, geht es in diesen Zeilen doch um die Geburt des Heilsbringers, auf den die ganze Welt baut. Das zeigen nicht zuletzt auch die zahlreichen Übersetzungen und an das französische Original angelehnten fremdsprachigen Fassungen des Liedes. So hat Les Anges dans nos Campagnes Wikipedia-Einträge in zwanzig Sprachen (teilweise samt entsprechender Liedversion), darunter neben Deutsch, Englisch und Französisch beispielsweise auch Vietnamesisch und die afrikanische Sprache Lingála. Damit ist es auf jeden Fall eines der internationalsten Weihnachtslieder.

Auf Deutsch gibt es gleich mehrere Versionen, die erste von ihnen hat im Jahr 1951 die Verlegerin Lieselotte Holzmeister geschrieben („Engel haben Himmelslieder“). Wesentlich bekannter wurden jedoch zwei Textfassungen, die interessanterweise im selben Jahr – 1954 – verfasst wurden; passenderweise stammen sie von einem evangelischen Kirchenmusiker (Otto Abel: „Hört der Engel helle Lieder“) und einer katholischen Theologin (Marie Luise Thurmair: „Engel auf den Feldern singen“), was dazu führte, dass die eine Textfassung im Evangelischen Kirchengesangbuch, die andere im katholischen Gotteslob enthalten ist. Doch auch später kamen noch neue Textvarianten hinzu, so etwa 1987 Rolf Zuckowskis kindgerechtes „Hört ihr, wie die Engel singen?“.

Ich weiß noch, dass ich als Kind immer glaubte, der Engel, der über unserer Weihnachtskrippe schwebt, hieße mit Namen Gloria. Denn, bitteschön, immerhin hält er ein Banner in Händen, auf dem genau das steht – und Gloria ist ein weiblicher Vorname. Wie dem auch sei, die Botschaft des Engels, der den Hirten im Lukasevangelium erscheint (und er hatte bestimmt einen Namen!), ist eine Botschaft, die an alle Welt gerichtet ist. Und in diesem Sinne sind Sie nun herzlich eingeladen, sich durch unsere kleine internationale Liedauswahl zu klicken:

Aus Finnland: https://www.youtube.com/watch?v=25d1y3JMs5o
„Kuului laulu enkelten“ (Kuului laulu enkelten (feat. Elja Puukko) - mit dem finnischen Bariton Elja Puukko (1999)

Aus den Niederlanden: https://www.youtube.com/watch?v=rZjCE3M7Y-4
„Eer zij God in onze dagen“  – Version des Sängers Kees Kraayenoord und Band (2007)

Aus Frankreich: https://www.youtube.com/watch?v=r0yQHtSJh1A
„Les Anges dans nos Campagnes“ – mit Weltstar Mireille Mathieu (1968)

Und zum Mitsingen mit dem Text von Otto Abel:
Aus Deutschland: https://www.youtube.com/watch?v=GrDMcUqlIG8
„Hört der Engel helle Lieder“ (Gloria in excelsis Deo) – mit dem Rundfunk-Kinderchor Berlin (2003)

Quellen:
Prassl, Franz Karl: Hört der Engel helle Lieder. In Hahn, Gerhard/Henkys, Jürgen (Hg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Göttingen 2005. S. 39-42.
https://de.wikipedia.org/wiki/Les_Anges_dans_nos_campagnes
https://www.bibleserver.com/EU/Lukas2%2C8-18

Julia Gilfert


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