Morgen kommt der Weihnachtsmann

Morgen kommt der Weihnachtsmann

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„Morgen kommt der Weihnachtsmann, kommt mit seinen Gaben, ...“ An dieser Stelle endete zunächst zu meinem eigenen Erschrecken meine Textkenntnis. Ein klitzekleiner Trost: Das dürfte ich mit einem Großteil der Gesellschaft gemeinsam haben. Nur wie geht er denn nun weiter, der Text?
„Trommel, Pfeifen und Gewehr, Fahn‘ und Säbel und noch mehr, ja, ein ganzes Kriegesheer möcht‘ ich gerne haben“. Zieht man das Originalgedicht von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) heran, dann geht der Text ganz schön zur Sache. Laut der Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann spiegelt er das idealtypische bürgerliche Weihnachtsfest wider: Kinderwünsche kurbeln die industrielle Wirtschaft an, während die immer populärer werdende Figur des Weihnachtsmannes die patriarchalen Strukturen stärkt. Na Halleluja - oder eben gerade nicht. „Es ist wohl das Weihnachtslied, das dem christlichen Gedanken und der Botschaft ‚Friede auf Erden‘ am weitesten entfernt sein dürfte“, fasst Weber-Kellermann treffend zusammen. Von daher passt auch die heute geläufige Melodie irgendwie ins Bild, denn die gehörte ursprünglich zu einem frivolen Gassenhauer aus Frankreich und war 1781 bereits von dem für seine nicht minder frivolen Vorlieben bekannten Wolfgang Amadeus Mozart zu Zwölf Variationen in C-Dur (KV 265) verarbeitet worden.

Aber: Wer suchet, der findet noch mindestens eine weitere Melodie zu einem bekannten Text. In diesem Falle stammt sie von Ernst Heinrich Leopold Richter (1805-1876), einem mit Hoffmann von Fallersleben befreundeten Komponisten und Musikpädagogen, der gerne mal die Gedichte seines Freundes vertonte - so auch 1835 „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Wirklich bekannt wurde das Lied dann jedoch in Verbindung mit der eingängigeren Melodie des französischen Salon- und Gassenliedes, was vermutlich auch mit dessen geringerem Tonumfang zu tun hat (Richters Version umfasst eine ganze Oktave, während die aus Frankreich stammende Melodie mit einer Sexte auskommt).

Spätestens nach zwei Weltkriegen hatten die Menschen dann genug von Kriegsvokabular und Militärverklärung, noch dazu in der Weihnachtszeit. Erst in den 1950er Jahren tauchte „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ wieder in den Liedbüchern auf, allerdings in der „entschärften“ Textvariante des Verlagslektors, Arrangeurs und Chorleiters Hilger Schallehn (1936-2000), die wir auch heute noch singen.

So unpopulär die politischen Texte Hoffmann von Fallerslebens heute sind – von der dritten Strophe des „Deutschlandliedes“ mal abgesehen - so stark haben sich seine Kindergedichte gehalten: Kein Kinderliederbuch kommt ohne „Alle Vögel sind schon da“, „Summ, summ, summ“, oder „Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald“ aus und kein Weihnachtsliederbuch ohne „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ - nur eben in der abgerüsteten Variante.

Zum Anhören haben wir hier eine Version des Windsbacher Knabenchors aus dem Jahr 2006 für Sie, der das Lied zusammen mit German Brass in einem Arrangement von Enrique Crespo interpretiert:

https://www.youtube.com/watch?v=k8ITfkatf-4&list=PLduFvZMXOJlLxaqqooJpFmM78qlgkEHRw&index=16

Da der von Schallehn verfasste Text noch dem Urheberrecht unterliegt, gibt es heute ein Liedblatt der etwas anderen Art. Zugegeben, es ist ein wenig böse, aber damit reiht es sich perfekt in die anderen Parodien und Umdichtungen der vergangenen Jahrzehnte ein. Außerdem ist es als Einladung zum Kreativwerden gedacht - wie wär's? Dichten Sie doch auch eine Strophe! Viel Freude dabei - und frohe Weihnachten.

Quellen:
Weber-Kellermann, Ingeborg: Das Buch der Weihnachtslieder. Mainz 1982.
Böhme, Franz Magnus: Volksthümliche Lieder der Deutschen im 18. und 19. Jahrhundert. Hildesheim/New York 1970.
https://www.lieder-archiv.de/morgen_kommt_der_weihnachtsmann-notenblatt_200018.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Ah_!_vous_dirai-je,_maman

Julia Gilfert


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