O du fröhliche

O du fröhliche

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Heilig Abend ist schon wieder zwei Tage her – wie haben Sie ihn verbracht? Als ich noch klein war, so in den 1990er-Jahren muss das gewesen sein, hatten wir in unserer Familie einen, ich will nicht sagen streng, aber einen einigermaßen ritualisierten Ablauf: Mittags gab es für alle (wir waren zu sechst) leckeren Kartoffelsalat nach Opas Spezialrezept, der einen Tag lang Zeit hatte zu ziehen, dazu Wiener Würstchen und Bautzner Senf. Nachmittags wurde der Weihnachtsbaum von der Terrasse geholt und in den Ständer verpflanzt, woraufhin mein Vater und alle Kinder dafür zuständig waren, ihn zu schmücken. Mein Part bestand im Basteln von Schlaufen für und Anhängen von Schokoladenkringeln. Meine Mutter bereitete währenddessen die Pute vor. Um 16 Uhr holten wir unsere Geschenke und legten sie unter den Weihnachtsbaum. Nun hieß es zusammen mit Vater spazieren gehen, eigenartigerweise blieb meine Mutter immer zuhause und war wohl die einzige, die den Weihnachtsmann tatsächlich zu Gesicht bekam.
Wenn wir ca. eine halbe Stunde später mit kalten Näschen wiederkamen, brannten Kerzen im Wohnzimmer, unter dem Weihnachtsbaum hatten sich die Geschenke auf wundersame Weise vermehrt (für sechs Personen!), und auf dem Plattenspieler lag jedes Jahr die Langspielplatte mit dem Dresdner Kreuzchor, aus den Lautsprechern schallte das erste Lied darauf: „O du fröhliche“. Ein so warmer und friedvoller Moment, dass ich mich daran erinnere, als wäre es gestern gewesen.
O du besinnliche Weihnachtszeit, möchte man sagen. Für Christen ergibt natürlich auch die Fröhlichkeit Sinn, denn dass der Heiland – an Weihnachten – geboren ist, um die Menschen zu „versühnen“, wie es im Liedtext heißt, ist Anlass genug zur Freude.
Aber woher stammt der Liedtext eigentlich? Der sozial engagierte Schriftsteller Johannes Daniel Falk (1768–1826) war persönlich mit Herder und Goethe befreundet und dichtete 1819, als er seinen Lebensmittelpunkt bereits nach Weimar verlagert hatte, Strophen zu den wichtigsten christlichen Festen Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Die Melodie dazu hatte er schon im Kopf: Einer Legende nach summte einer seiner Schützlinge, ein sizilianischer Junge, die auch heute noch verwendete Weise, was Falk zu seiner Textdichtung inspirierte.
Die Melodie wiederum stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit aus Süditalien. Johann Gottfried Herder (1744–1803) hat auf einer Italien-Reise das Marienlied „O sanctissima, o piissima, dulcis virgo Maria“ mit ebendieser Melodie kennengelernt und es als „schönste Probe italienischer Volkslieder“ bezeichnet. Abgedruckt ist die Weise in Herders Adrastea III (1801/1803) und posthum 1807 in den „Stimmen der Völker in Liedern“.
Aber zurück zum Text. Falks Textdichtung mit Strophen zu Ostern und Pfingsten hat sich nicht durchgesetzt. Erst nachdem der vielseitig begabte, aus Wunsiedel stammende Sozialarbeiter Heinrich Holzschuher (1798–1847) um 1826 zwei weitere Weihnachtsstrophen dichtete, stieg „O du fröhliche“ zu einem der beliebtesten und bekanntesten Weihnachtslieder auf.
Im Advent 2013 hat die Forschungsstelle in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg einen Weihnachtslieder-Flashmob auf dem Würzburger Weihnachtsmarkt durchgeführt. Eines der beiden Lieder war „O du fröhliche“.

Christoph Meinel


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