Den die Hirten lobeten sehre
Kennen Sie den »Quempas« oder wie es seit 1971 mit einem Text von Markus Jenny im katholischen Gotteslob steht »Hört, es singt und klingt mit Schalle«? Das heutige Weihnachtslied ist wohl das älteste in unserer Liederreihe, denn älteste Quellen sind bereits um 1460 mit der Melodie im Hohenfurter Liederbuch (Hohenfurt in Böhmen), 1541 in Prag und 1555 in Valentin Trillers in Breslau erschienenen »Schlesisch Singebüchlein« bekannt. Seit dem 16. Jahrhundert ist das Lied in zahlreichen Bearbeitungen in Gesangbüchern zu finden, wie der Satz von Michael Praetorius in seiner »Musae Sioniae« 1607, der bis heute im Evangelischen Gesangbuch abgedruckt ist. Die deutsche Übersetzung »Den die Hirten lobeten sehre« stammt von Matthäus Ludecus. Auch die Übersetzung von Nikolaus Herman »Heut sein die lieben Engelein« ist bekannt. Paul Gerhardt dichtete zur Melodie 1667 das Weihnachtslied »Kommt und lasst uns Christum ehren«.
»Quem pastores laudavere«, der erste lateinische Liedvers, wurde auch zum Titel des Wechselgesangs »Quempas« mit den Liedern »Nunc angelorum gloria« (Heut’ sein die lileben engelein) und »Magnum nomen Domini« (Gottes Sohn ist Mensch geborn). Das Quempas-Singen ist ein Brauch etwa seit der Reformation, bei dem Kinder in der Weihnachtszeit mit Liedern von Haus zu Haus zogen. Später wurde von Schulchören aus den Kirchenecken gesungen. Der Tropus »Gottes Sohn ist Mensch geborn ...« wurde dann von der Gemeinde gesungen.
Meine jüngere Schwester und ich, wir waren zwei derjenigen Mädchen, die ununterbrochen vor sich hinsangen. Diese Information ist der Anfang einer Erinnerung, die mir gezeigt hat, welche Bedeutung Weihnachten hat: wir zwei Mädchen wurden schon sehr jung regelmäßig in die Kinderkantorei gebracht. Vermutlich noch bevor ich richtig lesen konnte, stand ich vor der Gemeinde, um ungeniert Soli zu meinem Besten zu geben. Das erste Solo, an das ich mich erinnere, war bei einem Adventsgottesdienst, bei dem meine Schwester ihren ersten großen Auftritt mit drei Versen des Quempas haben sollte. Aufgeteilt in kleine Solistengrüppchen, wie es der Brauch ist, standen wir verteilt auf der Empore, deren Geländer wir kaum überragten, um im Wechselgesang von allen Seiten über die Gemeinde zu singen. Je näher unser Auftritt rückte, desto mehr Aufregung nahm ich an unkontrolliert zappelnden Füßen neben mir wahr. Sie machte mich schier wahnsinnig; ich war ja auch noch dran. Als die anderen Kinder mit ihren Versen begannen, saß neben mir ein Nervenbündel, dessen Hand ich also nahm, um es zu beruhigen. Ich hatte sie selten so schweigsam erlebt, denn als sie endlich an der Reihe war, blieb meine sonst so aufgeweckte und kaum wortkarge Schwester im Affekt tonlos. Also begann ich nach wenigen Tönen an ihrer Stelle zu singen und drückte aufmunternd ihre Hand. Beim zweiten Vers stieg sie schließlich mit ein und den dritten sang sie ganz alleine. Es waren genau neun Silben, die sie letztendlich solistisch in den Kirchenraum brachte und ich habe noch ihren Blick vor Augen, als sie nach dem Lied wissen wollte: »Und wie war ich?« Ich kenne meine Antwort nicht mehr, aber ich weiß noch, wie stolz ich damals auf sie war.
Es hat eine Weile gedauert, bis mir klar war, dass ein solcher Moment doch Weihnachten bedeutet: sich gegenseitig helfen, füreinander da zu sein, jemandem die Hand zu reichen und gemeinsam Wege zu beschreiten, auch wenn die, die Hilfe brauchen, nur schrittweise vorankommen. Oder wie bei uns eben Vers für Vers bis zur großen Solopartie.
Zum Anhören und den Quempas wirken zu lassen
Vollständiger Liedtext
Quellen:
https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&id=30078
https://de.wikipedia.org/wiki/Quem_pastores_laudavere
Lena Grastat
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