Die Alfelder Kirchweih – Mal aus der Sicht einer Nicht- bzw. Wahl-Bayerin
Ich habe das Gefühl, dass ich diesen Blogbeitrag mit einem Geständnis beginnen sollte. Studien- und Arbeitsjahre zusammengezählt, habe ich nun schon fast 7 Jahre in Franken verbracht und hier ist nun die Schande: Eine Kirchweih aus nächster Nähe miterlebt habe ich zum allerersten Mal bei unserer kürzlichen Exkursion zur Alfelder Kirchweih. Doch statt mich darüber aus Scham zu verstecken, nutze ich doch lieber diesen Umstand und berichte von dem Erlebten aus meiner Perspektive, der Perspektive einer Außenstehenden.
Die diesjährige Alfelder Kirchweih war für uns, die wir uns tagtäglich mit Musik beschäftigen, eine ganz besondere. Dieses Jahr spielten nämlich die Alfelder Musikanten in der Formation, in der sie weithin bekannt sind, einen ihrer letzten Auftritte. Ein Grund, uns von Uffenheim auf den Weg zu machen, um zumindest den letzten Tag der Kirchweih und den Auftritt der Alfelder Musikanten mitzuerleben.
Heidi Christ bei der Feldforschung. Im Hintergrund die Alfelder Musikanten.
Das Wetter ist nass, kalt und ungemütlich. Das hält uns und einige weitere jedoch nicht davon ab, pünktlich um 10 Uhr zum Frühschoppen im Zelt der Gastwirtschaft „Berghof“ zu sitzen und gespannt auf die Musik zu warten. Sobald die ersten Töne angespielt werden, kann man die Freude in den Augen vieler Besucher erspähen. In kürzester Zeit strömen sie auf die kleine Tanzfläche und drehen umeinander. Vor so viel Einsatz zücke ich meinen Hut! So etwas habe ich in meiner Heimat nie erlebt.
Die Tanzfläche ist gut gefüllt. Auch Heidi Christ wagt ein paar Schritte.
Je länger die Musik spielt, desto lockerer und ausgelassener wird die Stimmung im Zelt und davor. Dort sitzen die diesjährigen Kirwabouam sowie ehemalige Kirchweihburschen, die zum Teil auch dem lokalen Gesangsverein angehören. Läutet die Musik mit dem Anspielen der Melodie von Pippi Langstrumpf ihre Pause ein, dauert es nicht lang und die Männer (denn es sind tatsächlich nur wenige Damen in dieser Runde), darunter auch einige der diesjährigen, stimmen einen mehrstimmigen Gesang an. Die Wörter klangvoll, volltönend und eindrucksvoll beschreiben dieses Erlebnis wohl am besten für mich, die mit anderen Kirchweihgästen in stiller Bewunderung dem Gesang zuhört.
Um 16 Uhr ist der nächste Programmpunkt geplant: Das Einziehen der Kirchweihgesellschaft in Begleitung der Alfelder Musikanten in die Ortsmitte. Dort angekommen, löst sich der Zug auf, die jungen Frauen und Männern gehen nach Hause, um sich dort für den Festakt des Tages, das Baumaustanzen, umzuziehen. Für mich an dieser Stelle ein guter Moment, um aus der Ortsgeschichte zu erzählen, die für die Alfelder Kirchweih eine ganz besondere Bedeutung hat. Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg 1504 und durch die neue Grenzsetzung wurde der Ort gespalten. Die linke Seite gehörte fortan zur Freien Reichsstadt Nürnberg. Die rechte Seite verblieb bei Bayern. Erst dreihundert Jahre später, 1806, wurde Alfeld mit der Gründung des Königreichs Bayern wiedervereinigt. Zu diesem Anlass erdachten die Alfelder einen einmaligen Kirchweihbrauch, der bis heute Bestand hat. Zwischen dem Kegel- und dem Schneiderberg wird eine Schnur mit einem daran befestigtet Busch gespannt, wodurch die Einigkeit symbolisiert wird. Heute wird der Busch mit dem Wipfel nach unten hängend, in Goldpapier eingehüllt und mit Bändern geschmückt. Am Wipfel wird eine vergoldete Schweinsblase befestigt.
Die Kirchweihgesellschaft beim Baumaustanzen. Hier auch gut zu sehen: Der vergoldtete Busch über den Köpfen der Tanzenden. Er symbolisiert die Wiedervereinigung der beiden Dorfteile.
Das Seil mit Busch spannt über dem Dorfplatz. Hier, wo am Samstag der Kirchweihbaum aufgestellt wurde, findet meist gegen 18 Uhr das Baumaustanzen statt. Kirwabouam und -moidla anzen dafür paarweise um den Baum und reichen dabei einen Blumenstrauß rum. Das Ende des Baumaustanzens wird mit einem Schuss signalisiert. Das Paar, das zu diesem Zeitpunkt den Blumenstrauß hält, gewinnt den Busch. Dem Kirwabouam wird gleichzeitig ein Hut aufgesetzt. Er ist der diesjährige „Houterer“, so der Titel.
Damit endete für uns unser kleiner Ausflug. Wir haben alle viele neue Eindrücke und Erlebnisse mitgebracht und ich werde sicherlich noch lange die Musik und das Johlen der Kirchweihburschen mit mir tragen.
Für die alten Alfelder Musikanten war dies ihr letzter Auftritt auf der Kirchweih, aber damit wird die Tradition keineswegs abreißen. Frischen Wind bringen ab dem kommenden Jahr die jungen Alfelder Musikanten mit sich, von denen wir einige bereits in diesem Jahr beim Mitspielen beobachten und hören durften. Sie durften wie ihre Vorgänger in dieses spezielle Musikgeschäft hineinwachsen und können nun übernehmen. So, wie es hier gehandhabt wird, bekommt die fast 200-jährige Alfelder Musiktradition eine große Chance auf Fortbestand und Weiterentwicklung.
Die Alfelder Musikanten spielen auf, darunter auch schon Gesichter der nächsten Alfelder Musikanten-Generation.
Für weiterführende Informationen besuchen Sie gerne die Webseite der Alfelder Musikanten: https://www.alfelder-musikanten.de/
Lesen Sie mehr über die Alfelder Musiktradition und Kirchweih in Heidi Christ’s Dissertation: „Musikantenhandwerk. Untersuchungen zu musikalischen Traditionen in der Hersbrucker Alb“. Exemplare können Sie direkt über den Shop der Forschungsstelle bestellen: https://volksmusik-forschung.de/shop/ffv/063-musikantenhandwerk.html
Kommentare (1)
Oliver Brust:
07 Nov 2023 um 05:11
Hallo zusammen,
ich lade Euch zur Geldersheimer Kirchweih ein. Da gibt es den Hammeltanz... siehe Homepage. Da ist auch die ganze Geschichte der Kirchweih dokumentiert.
Gruß Oliver
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